Verfahrensgang

LG Aachen (Entscheidung vom 20.02.2007; Aktenzeichen 33 h StVK 553/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird wie folgt geändert:

Der Antrag auf Übernahme der Vollstreckung der durch Urteil des Sondergerichtshofs Amsterdam vom 18.10.1949 (Rol No. 358-12269-49) gegen den Verurteilten verhängten, in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelten Todesstrafe wird abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer dort entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt (§ 467 Abs. 1 StPO).

 

Gründe

A.

Dem Verfahren liegt ein historischer Sachverhalt zugrunde, der im Verfahren 45 Js 18/83 Staatsanwaltschaft Dortmund wie folgt geschildert wurde:

Am 10.05.1940 fielen die deutschen Truppen in die Niederlande ein. Der Angriff machte rasche Fortschritte. Die Königin und ihr Kabinett schifften sich am 13.05. ein, um nach Großbritannien ins Exil zu gehen. Am folgenden Tag kapitulierte das niederländische Heer; General X., sein Chef, befahl die Einstellung des Kampfes an allen Fronten.

Die Deutschen errichteten zunächst eine Militärverwaltung, neben die jedoch schon bald eine Zivilverwaltung trat. Chef des Sicherheitswesens wurde des SS-Obergruppenführer und General der Polizei I. B. S., der neben seiner Tätigkeit als Generalkommissar für das Sicherheitswesen gleichzeitig als Höherer SS- und Polizeiführer (HSSPF) "Nordwest" fungierte. In den ersten Jahren der Besetzung kam es nicht zu einem gelenkten und organisierten Widerstand. Durch vereinzelte Attentate trat keine beträchtliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf. Ebensowenig wurde die Besatzungsmacht dadurch gefährdet. Die Arbeit gegen sie konzentrierte sich zunächst auf die Verbreitung von Periodika. Der Widerstand wuchs jedoch entsprechend den deutschen Verfolgungs- und Repressionsmaßnahmen sowie in gleichem Maße, in dem die Ereignisse auf dem östlichen Kriegsschauplatz sich zugunsten der Sowjetunion zu entwickeln schienen. Um die Jahreswende 1942/43 machten sich die ersten Widerstandsgruppen bemerkbar. Neben den sich häufenden Angriffen auf militärische Anlagen oder für die Besatzungsstreitkräfte lebensnotwendige Transporte und sonstige wichtige Objekte steigerten sich nunmehr auch die Attentate auf Personen. Als Opfer wurden hierbei zunächst in der Regel hochgestellte Beamte oder Politiker ausgesucht, die als deutschfreundlich bekannt waren, oder solche, die kraft ihrer Stellung im öffentlichen Leben notwendigerweise mit den Deutschen zusammenarbeiten mussten und sich dabei loyal verhielten.

Nach Attentaten auf den niederländischen Generalleutnant H.A. T., der sich als Kommandant der Niederländischen Legion an der Ostfront einen Namen gemacht hatte, im Februar 1943 und auf zwei Anhänger der NSB, unter ihnen der ehemalige Landwirtschafts- und Handelsminister F.E. Q., im März desselben Jahres griffen die Deutschen zu immer schärferen Gegenmaßnahmen. Im Sommer 1943 wurden auf Befehl I. durch das Auswärtige Amt, den Wehrmachtführungsstab und das Reichssicherheitshauptamt Pläne für die Bekämpfung der Widerstandsgruppen u.a. in den besetzten Westgebieten ausgearbeitet. Hierbei entschied man sich, da die bisherigen Repressionen nicht den erwarteten Erfolg gezeitigt hatten, für Maßnahmen, die in den Niederlanden den Decknamen "S." erhielten. Die Durchführung dieser Maßnahmen wurde den jeweiligen Reichsbevollmächtigten bzw. Reichskommissaren als "Geheime Reichssache" anvertraut. In Holland übernahm S. die näheren Weisungen.

Unter dem Begriff "S." wurden Aktionen verstanden, bei denen nach einem Mordanschlag der niederländischen Untergrundbewegung möglichst umgehend sowie in nahezu gleichartiger Weise drei bis fünf antideutsch eingestellte oder aber als mit Widerstandskreisen zusammenarbeitend bekannte Niederländer erschossen werden sollten. Die unmittelbare Durchführung der Aktion oblag in der Regel bis etwa April 1944 Angehörigen der "G. SS in den Niederlanden", danach bis zu deren Beendigung im September 1944 einem auf Befehl S.s gebildeten, ungefähr 15 Mann starken Kommando, das nach dem Führer der G. SS "Sonderkommando H." genannt wurde. H. selbst übernahm auch die Leitung des Sonderkommandos. Vor ihren Einsätzen wurden die Angehörigen des Sonderkommandos darauf hingewiesen, dass es sich um eine "Geheime Reichssache" handele und deshalb Stillschweigen zu bewahren und die Befehle genauestens auszuführen seien. Andernfalls drohe ihnen ein Verfahren vor einem SS- und Polizeigericht, das zur Einweisung in ein Konzentrationslager oder zur Todesstrafe führen könne.

Im Falle eines durch Widerstandsgruppen verübten Mordanschlags hatten die Außendienststellen der Sicherheitspolizei dem HSSPF über den Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes zu berichten. Gab S. alsdann das Stichwort "S.", wurden unverzüglich Angehörige der G. SS bzw. des Sonderkommandos H. in Marsch gesetzt, und zwar normalerweise zu der fraglichen Außenstelle. Diese hatte die nun laufenden Aktionen grundsätzlich nur durch B...

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