Entscheidungsstichwort (Thema)

Einziehung. Wertersatz. Tatertrag. für die Tat. Auskehrungsanspruch. Verletzter. Gesamtschuld. Einwendungsberechtigung. Cum/Ex. Entschädigungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Einwendungsberechtigung gegen vollstreckungsrechtliche Entscheidungen im Rahmen von § 459o StPO.

2. Zu den Voraussetzungen der Auskehrung nach § 459h Abs. 2 StPO.

3. Mit dem Ausspruch der gesamtschuldnerischen Haftung im Rahmen der Wertersatzeinziehung von Taterträgen ist keine konstitutive Feststellung eines konkreten Gesamtschuldverhältnisses verbunden.

 

Normenkette

StGB § 73 Abs. 1, § 73c S. 1; StPO § 73e Abs. 1 S. 1, § 459g Abs. 4 S. 1, § 459h Abs. 2, § 459o

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Entscheidung vom 15.11.2023)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bonn werden

  1. der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 15.11.2023 aufgehoben, soweit dieser die Einwendungen der Antragstellerinnen zu 1) bis 4) gegen die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Bonn vom 11.04.2023 betrifft;
  2. die Einwendungen der Antragstellerin zu 1) vom 03.07.2023, der Antragstellerin zu 2) vom 27.03.2023, der Antragstellerin zu 3) vom 11.05.2023 und der Antragstellerin zu 4) vom 04.07.2023 verworfen.

2. Auf die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldners werden

  1. der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 15.11.2023 aufgehoben, soweit die Vollstreckungsbehörde angewiesen worden ist, im Rahmen der Vollstreckung der rechtskräftigen Einziehungsentscheidung des Landgerichts Bonn vom 18.03.2020 gegen den Vollstreckungsschuldner davon auszugehen, dass die gegen den Vollstreckungsschuldner titulierte Einziehungsforderung nicht dadurch anteilig erloschen ist, dass die weitere Vollstreckungsschuldnerin oder andere Steuer- oder Haftungsschuldner auf entsprechende, gegen sie ergangene Steuerbescheide die zu Unrecht angerechneten oder ausgezahlten Steuerbeträge und darauf entfallende Zinsen an eine der durch die Tat verletzten Finanzbehörden zurückgezahlt bzw. gezahlt haben;
  2. die Einwendungen der Antragstellerin zu 1) vom 03.07.2023, der Antragstellerin zu 2) vom 27.03.2023, der Antragstellerin zu 3) vom 11.05.2023 und der Antragstellerin zu 4) vom 04.07.2023 gegen die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft Bonn vom 11.04.2023 im Umfang dieser Aufhebung verworfen.

3. Die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Bonn erwachsenen notwendigen Auslagen des Vollstreckungsschuldners werden der Staatskasse auferlegt.

Die Kosten des Rechtsmittels des Vollstreckungsschuldners und die diesem entstandenen notwendigen Auslagen trägt ebenfalls die Staatskasse mit Ausnahme derjenigen Kosten und notwendigen Auslagen, die bei anfänglicher Beschränkung des Rechtsmittels nicht entstanden wären.

 

Gründe

Die Staatsanwaltschaft Bonn betreibt gegen den Vollstreckungsschuldner wegen der Einziehung des Wertes von Taterträgen ein Vollstreckungsverfahren. Auf Einwendungen der Antragstellerinnen gegen eine vollstreckungsrechtliche Entscheidung der Staatsanwaltschaft Bonn hat das Landgericht dieser in diesem Zusammenhang nähere Vorgaben zum weiteren Vorgehen, insbesondere auch hinsichtlich des Auskehrens von Vollstreckungserlösen an die Antragstellerinnen gemacht. Hiergegen richten sich die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft Bonn und des Vollstreckungsschuldners. Diese haben jeweils in dem nunmehr noch weiterverfolgten Umfang Erfolg.

I.

Den Rechtsmitteln liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

1. Mit Urteil vom 18.03.2020 hat das Landgericht den Vollstreckungsschuldner der Steuerhinterziehung in zehn Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einem weiteren Fall schuldig gesprochen und ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Weiterhin hat es gegen ihn gemäß § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Wertes im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB für die Tat erlangter Taterträge in Höhe von 14.000.000 € angeordnet, davon in Höhe eines Betrages von 12.689.880 € als Gesamtschuldner. Gegen die weitere Vollstreckungsschuldnerin als Dritteinziehungsbeteiligte hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von - im Sinne von § 73 Abs. 1, § 73b Abs. 1 Satz 1 StGB - durch die Tat erlangter Taterträge in Höhe von 176.574.603 € angeordnet, davon in Höhe von 166.574.603 € als Gesamtschuldnerin. Die hiergegen eingelegten Revisionen des Vollstreckungsschuldners, der Staatsanwaltschaft und der weiteren Vollstreckungsschuldnerin hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28.07.2021 (1 StR 519/20) als unbegründet verworfen.

Den Einziehungsentscheidungen liegen auf sogenannte Cum/Ex-Transaktionen zurückgehende Steuerhinterziehungsdelikte zugrunde, die in den Jahren 2008 bis 2011 von verschiedenen Personen unter Beteiligung des Vollstreckungsschuldners - in den Fällen 1 bis 3, 8 und 11 der Urteilsgründe auch derjenigen der weiteren Vollstreckungsschuldnerin - durchgeführt worden waren und in deren Rahmen es nach den Feststellungen des Landgerichts zur unberechtigten Erstattung bzw. Anrechnung von ...

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