Entscheidungsstichwort (Thema)
Kausalitätsnachweis bei behauptetem Impfschaden
Leitsatz (amtlich)
Die Kausalität zwischen einer (wegen behaupteter Aufklärungsmängel) möglicherweise rechtswidrigen Impfung (gegen Tetanus, Diphterie und Poliomyelitis) und behaupteten neurologischen Auffälligkeiten (Rückenschmerzen, Muskelzuckungen) muss zur vollen richterlichen Überzeugung (§ 286 ZPO) nachgewiesen werden. Dass in einem sozialgerichtlichen Verfahren ein Sachverständiger die Voraussetzungen für eine sog. Kann-Versorgung bejaht hat, genügt grundsätzlich nicht.
Normenkette
BGB §§ 280, 611, 823; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 16.03.2011; Aktenzeichen 11 O 296/10) |
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 16.3.2011 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Aachen - 11 O 296/10 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg.
Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil nach den gem. § 529 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Feststellungen schadensursächliche Behandlungsfehler zu Lasten der Klägerin nicht bewiesen sind und auch die Aufklärungsrüge mangels Nachweises der Kausalität zwischen der beanstandeten Impfung und dem behaupteten Schaden nicht durchgreift. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 und 2 ZPO). Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt eine abweichende, ihr günstigere Entscheidung nicht.
Das LG hat aufgrund der gem. § 493 ZPO verwertbaren gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen Dr. M. und Dr. G. aus dem von der Klägerin eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren 11 OH 15/08 LG Aachen in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass eine Kausalität zwischen den (Auffrischungs-)Impfungen gegen Tetanus/Diphtherie und Poliomyelitis am 26.4.2007 und ihren danach aufgetretenen Beschwerden nicht erwiesen ist. Der Sachverständige Dr. M. hat einen solchen Kausalzusammenhang ausdrücklich verneint, Dr. G. zumindest als nicht positiv feststellbar bewertet. Gemessen an der Vorschrift des § 286 ZPO ist das LG zutreffend davon ausgegangen, dass nach diesem Ergebnis der Beweisaufnahme der Kausalitätsnachweis nicht erbracht ist, ohne dass die Anforderungen an die Beweisführung durch die Klägerin damit überzogen worden wären.
Entgegen dem Berufungsvorbringen der Klägerin spricht dagegen auch nicht die gutachterliche Bewertung durch Dr. I.. Das erforderliche Beweismaß im sozialgerichtlichen Verfahren zu der dort von der Klägerin offensichtlich angestrebten "Kann-Versorgung" entspricht nicht dem des § 286 ZPO. Die Voraussetzungen dieser sog. "Kann-Versorgung" sind durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP), vor allem aber auch durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts konkretisiert worden. Danach muss zur Gewährung der Kann-Versorgung nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang bestehen, sondern nach einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung müssen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen besonderen körperlichen Belastungen und der festgestellten Erkrankung sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern vielmehr muss eine "gute Möglichkeit" des Zusammenhangs bestehen, die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.1995 und 10.11.1993, 9 RV 17/94 und 9/9a RV 41/92 = SozR 3-3200 § 81 Nrn. 13 und 9). Diese Voraussetzungen hat Dr. I. in seinem Gutachten vom 30.4.2010 (Bl. 39 ff. GA) festgestellt und insoweit die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs bejaht. Dass die so von Dr. I. angenommene Wahrscheinlichkeit "weitaus höher sei als die zivilrechtliche Kausalität" kann in Anbetracht seiner Aufgabenstellung nicht angenommen werden. Denn auch Dr. I. folgert die von ihm angenommene Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs entsprechend den Grundsätzen der "Kann-Versorgung" und nach den von ihm zugrunde gelegten WHO-Kriterien nur aus einem plausiblen zeitlichen Intervall, der prinzipiellen Bekanntheit der aufgetretenen unerwünschten Wirkung als Autoimmunreaktion, einer plausiblen Hypothese zur Pathophysiologie und aus dem differentialdiagnostischen Ausschluss anderer Ursachen (vgl. Seite 16 seines Gutachtens, Bl. 54 GA). Dies belegt freilich nur einen "mögli...