Entscheidungsstichwort (Thema)
Das für das Ehegüterstatut maßgebliche Recht bei Eheleuten mit deutscher bzw. russischer Staatsangehörigkeit mit letztem gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland
Leitsatz (amtlich)
Die güterrechtlichen Verhältnisses des mittlerweile verstorbenen Ehemannes mit deutscher Staatsangehörigkeit sowie der Ehefrau mit russischer Staatsangehörigkeit richtet sich nach russischem Kollisionsrecht (Art. 161 Nr. 1 S. 1 des Familiengesetzbuches der Russischen Föderation [FGB]) bei gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute zur Zeit der Heirat in Russland und deren späterem letzten gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland nach deutschem Recht, sofern sich die Eheleute in Deutschland ständig oder überwiegend aufhalten.
Normenkette
EGBGB Art. 4, 14-15, 229 § 47 Abs. 2; EuErbVO Art. 21 Abs. 1; FGB der Russischen Föderation Art. 161 Nr. 1 S. 1; ZGB der Russischen Föderation Art. 20 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Köln (Aktenzeichen 30 VI 268/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 02.01.2024 wird der am 27.11.2023 erlassene Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Köln, 30 VI 268/22, aufgehoben.
Die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinsantrages der Beteiligten zu 1) vom 08.07.2022 erforderlich sind, werden festgestellt.
Die Gerichtskosten der ersten Instanz hat die Beteiligte zu 1) zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in beiden Rechtszügen nicht statt.
Gründe
1. Der Erblasser, der die deutsche Staatsangehörigkeit hatte, und die Beteiligte zu 1) als russische Staatsangehörige hatten seit 2012 bis - soweit unstreitig - jedenfalls Anfang August 2014 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Moskau. Für die Folgezeit ist dies zwischen den Beteiligten umstritten. Zum Zeitpunkt seines Todes hatte der Erblasser jedenfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
Der Erblasser schloss für den Zeitraum 10.08.2014 bis 09.11.2014 einen "Mietvertrag für den vorübergehenden Gebrauch" über eine möblierte Wohnung in der Hamburger Elbchaussee ab (Bl. 185 ff.) und ging ein am 11.08.2014 beginnendes Arbeitsverhältnis mit der Firma A. in Wedel ein (Bl. 263), wo auch die Arbeitsleistung zu erbringen war (Bl. 238). An den Wochenenden reiste der Erblasser nach Moskau zu der Beteiligten zu 1).
Am 02.10.2014 schlossen der Erblasser und die Beteiligte zu 1) in Moskau die Ehe.
Am 14.10.2014 verlängerte der Erblasser das Mietverhältnis bis zum 31.03.2015 (Bl. 183).
Die Beteiligte zu 1) beendete am 28.11.2014 ihre Tätigkeit für die Firma B. in Moskau.
Am 01.12.2014 erfolge lt. einer Meldeauskunft der Zuzug des Erblassers in Hamburg aus Russland (Bl. 129).
Der Erblasser mietete ab dem 01.04.2015 eine Wohnung in Hamburg an. Dort wurden beide Eheleute per 01.04.2015 gemeldet (Bl. 131).
Ab 27.08.2015 waren die Eheleute in einer Wohnung in Bonn gemeldet (Bl. 132), sowie ab 01.04.2016 in einer Eigentumswohnung des Erblassers in der Kölner A.-Straße (Bl. 133).
Die Beteiligte zu 1) absolvierte in der Zeit vom 01.08.2016 bis 31.07.2018 ein Studium an der C. School (Bl. 992), welches sie mit einer Master-Urkunde abschloss (Bl. 903).
Während der Ehe fanden wiederholt Hin- und Rückreisen beider Eheleute zwischen Deutschland und Russland von unterschiedlicher Dauer statt, wobei die Aufenthalte der Beteiligten zu 1) in Russland jeweils von längerer Dauer als die des Erblassers waren.
Zwischen dem 13.03.2022 und dem 16.03.2022 verstarb der Erblasser ohne Hinterlassung von Abkömmlingen in Duisburg; seine Eltern waren vorverstorben.
Die Beteiligte zu 1) hat in notarieller Urkunde vom 08.07.2022 (UVz. Nr. ..., Bl. 83 ff.) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, der als Erben des Erblassers sie selbst zu ¾ sowie die Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/8 Anteil ausweist. Im Zeitpunkt der Eheschließung hätten sie und der Erblasser ihren Lebensmittelpunkt in Köln gehabt. Einen Ehevertrag hätten sie nicht geschlossen; es gelte der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
Sie hat im weiteren Verlauf des Verfahrens die Auffassung vertreten, ihre Erbquote als Ehefrau in Höhe von ½ sei um ein ¼ gemäß § 1371 BGB erhöht. Es gelte deutsches Ehegüterrecht. Auch wenn bei Eheschließung nur der Erblasser (seit 10.08.2014) und noch nicht die Beteiligte zu 1) in Deutschland gelebt habe, seien die auf Begründung eines ersten ehelichen Wohnsitzes in Deutschland gerichtete Zukunftsplanung einzubeziehen, weshalb die Eheleute am engsten mit Deutschland verbunden gewesen seien.
Dem Antrag sind die Beteiligten zu 2) und 3), die Schwestern des Erblassers, entgegengetreten. Sie haben geltend gemacht, § 1371 BGB finde keine Anwendung, da russisches Ehegüterrecht gelte. Im Zeitpunkt der Eheschließung hätten der Erblasser und die Beteiligte zu 1) ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Moskau gehabt. Zudem seien die Eheleute am engsten mit Russland verbunden gewesen. Auch im weiteren Verlauf der Ehe habe kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland bestanden.
Die Beteiligte zu 1) ...