Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung der elterlichen Sorge in einer einzelnen Angelegenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Gemäß § 1628 BGB kann das FamG auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, einem Elternteil übertragen, wenn sich die Eltern hierüber nicht einigen können.

Von erheblicher Bedeutung für das Kind sind alle Angelegenheiten, deren Entscheidung von erheblicher Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes ist. Eine solche Angelegenheit soll grundsätzlich von den Eltern nur gemeinsam getroffen werden. Hierzu zählen auch Reisen kleiner Kinder in Länder eines ihnen jedenfalls nicht umfassend vertrauten Kulturkreises.

Die zu treffende Entscheidung ist gem. § 1697a BGB an dem zu beachtenden Kindeswohl zu orientieren. Sie muss dem Kindeswohl am besten entsprechen. Prinzipiell entspricht ein Besuch der Großeltern auch dem Kindeswohl.

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 15.12.2003; Aktenzeichen 40 F 199/03)

 

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H.T. in C bewilligt.

2. Dem Antragsteller wird zur Rechtsverteidigung gegen die Beschwerde der Antragsgegnerin unter Beiordnung von Rechtsanwältin I in M ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

3. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 22.12.2003 wird der Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 15.12.2003 - 40 F 199/03 - abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird ermächtigt, für die gemeinsamen Kinder des Antragstellers und der Antragsgegnerin E U, geb. am 5.4.1997 in O/Canada und N U, geb. am 29.7.1999 in C/H, die Ausstellung von Kinderpässen zum Zwecke des Besuchs der Mutter der Antragsgegnerin in Katar zu beantragen und diese an sich aushändigen zu lassen.

Soweit gültige Kinderpässe im Besitz des Antragstellers sein sollten, hat er diese an die Antragsgegnerin herauszugeben.

Eine Kostenerstattung findet in beiden Instanzen nicht statt.

 

Gründe

I. Die gem. §§ 621e Abs. 1, 3; 621 Abs. 1 Nr. 1; 517, 520 Abs. 1, 2, 3 S. 1, 4 ZPO zulässige - insb. frist- und formgerecht eingelegte und begründete - Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg.

Gegen die Entscheidung des FamG ist die befristete Beschwerde nach § 621e ZPO das statthafte Rechtsmittel. Die Antragsgegnerin begehrt eine abschließende gerichtliche Entscheidung in einer Sorgerechtsangelegenheit nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 1628 BGB. Hierüber hat das FamG im 1. Rechtszug entschieden.

Die befristete Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Der angefochtene Beschluss ist der Antragsgegnerin am 19.12.2003 (Bl. 137 GA) zugestellt worden. Ihre Beschwerdeschrift ist mit Beschwerdebegründung am 22.12.2003 zwar bei dem hierfür unzuständigen AG Bonn eingegangen. Sie ist aber sodann von diesem an das zuständige OLG weitergeleitet worden, wo sie am 7.1.2004 (Bl. 140 R GA) und damit rechtzeitig eingegangen ist.

Die befristete Beschwerde ist auch begründet.

Das Begehren der Antragsgegnerin war dahin auszulegen, dass sie die Ausstellung der Kinderpässe für die gemeinsamen Kinder der Antragsgegnerin und des Antragstellers zu dem Zwecke beantragt, um mit ihren Kindern eine gemeinsame Reise für einen Familienbesuch - insb. zum Besuch der kranken Mutter der Antragsgegnerin - ausführen zu können. Gerade für diesen gewünschten Besuch benötigt sie die Kinderpässe. Allein das Ausstellen der Kinderpässe würde es der Antragsgegnerin aber noch nicht ermöglichen, mit diesen ihre Mutter und deren Großmutter in Katar besuchen zu können. Da auch die Reise nach Katar selbst eine Angelegenheit der elterlichen Sorge darstellt, wäre hierzu zusätzlich die Einwilligung des Antragstellers erforderlich, soweit hierüber nicht durch das FamG entschieden würde. Entsprechend dem Willen der Antragsgegnerin war deren Antrag auf Einwilligungserklärung des Antragstellers zur Ausstellung von Kinderpässen erweiternd dahin auszulegen und hierüber zu entscheiden. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, deren Verfahrensnormen grundsätzlich für Entscheidungen über das Sorgerecht Anwendung finden, soweit nicht anderes bestimmt ist, ist das Gericht grundsätzlich nicht an die konkreten Anträge der Beteiligten gebunden. Vielmehr ist von Amts wegen zu prüfen, ob und wie dem Begehren des Rechtsuchenden am Besten entsprochen werden kann. Schon um ein weiteres mögliches Verfahren auf Zustimmung des Antragstellers zur Reise nach Katar zu vermeiden, war der Antrag entsprechend dem klar geäußerten Willen der Antragsgegnerin umfassend dahin auszulegen, dass die auszustellenden Reisepässe auch für eine Reise nach Katar zum Besuch der kranken Mutter der Antragsgegnerin genutzt werden können.

Der Antragsgegnerin war gem. § 1628 BGB die Ermächtigung zu erteilen, die Kinderpässe zu beantragen und an sich herausgeben zu lassen, um mit ihren Kindern die geplante Reise nach Katar durchführen zu können. Es war die ...

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