Normenkette

BtMG §§ 35, 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 6; StPO § 311 Abs. 2, § 454b Abs. 2, §§ 458, 458 Abs. 2, § 462 Abs. 3; StrVollstrO §§ 21, 43 Abs. 3 S. 1, Abs. 4; EGGVG § § 23 ff, §§ 25, 28; StGB § 57 Abs. 1, 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 122 StVK 99/09)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren hat die Staatskasse zu tragen.

 

Gründe

I.

Gegen den Beschwerdeführer ist durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 05.06.2008 - 708 Ds 128/08 - wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt worden. Das Urteil ist seit dem 11.09.2008 rechtskräftig. Diese Strafe wurde seit dem 11.02.2009 vollstreckt. Die Staatsanwaltschaft Köln hat die Vollstreckung zum 2/3-Zeitpunkt mit Ablauf des 10.04.2009 zur Vollstreckung der Strafe aus dem Verfahren 109 Js 54/08 StA Köln unterbrochen, in dem der Verurteilte am 09.12.2008 - rechtskräftig seit dem 18.02.2009 - wegen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden ist. Der gemeinsame 2/3-Termin beider Strafen ist am 17.12.2009, Strafende ist auf den 18.07.2010 notiert.

Der Verurteilte hat im Hinblick auf die von ihm im Verfahren 109 Js 54/08 StA Köln angestrebte Zurückstellung nach § 35 BtMG mit anwaltlichem Schreiben vom 22.06.2009 bei der Staatsanwaltschaft Köln beantragt, die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 05.06.2008 vorweg zu vollstrecken und die Vollstreckung nicht zum 2/3-Termin zu unterbrechen; die Staatsanwaltschaft Köln hat dies abgelehnt (Bl. 124, 128, 131 f. d.A.).

Auf die "Beschwerde" des Verurteilten vom 06.07.2009 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln durch den angefochtenen Beschluss seinen Antrag zurückgewiesen.

Gegen diesen, seinem Verteidiger am 16.07.2009 und ihm am 17.07.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit anwaltlichem Schreiben vom 20.07.2009, eingegangen beim Landgericht Köln am selben Tag, erneut "Beschwerde" eingelegt.

II.

Die gem. § 462 Abs. 3 StPO statthafte, rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegte und damit insgesamt zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Für die Entscheidung über die Einwendung des Verurteilten gegen die Vollstreckungsreihenfolge ist nicht nach §§ 458 Abs. 2, 454 b Abs. 2 StPO die Strafvollstreckungskammer zuständig. Vielmehr ist gegen die Ablehnung der Änderung der Vollstreckungsreihenfolge durch die Staatsanwaltschaft der Rechtsweg nach §§ 21 StrVollstrO, 23, 25, 28 EGGVG gegeben. D.h. über die Einwendungen des Verurteilten gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft entscheidet zunächst die Generalstaatsanwaltschaft (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StrVollstrO), gegen deren Entscheidung sodann gegebenenfalls nach §§ 23 ff EGGVG das Oberlandesgericht angerufen werden kann.

Der Verurteilte begehrt eine Änderung der von der Staatsanwaltschaft Köln als Vollstreckungsbehörde vorgesehenen Vollstreckungsreihenfolge mit dem Ziel, möglichst früh eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zu erreichen. Hierzu muss zunächst die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 05.06.2008 vollständig verbüßt oder zur Bewährung ausgesetzt sein, da diese Strafe nicht nach § 35 BtMG zurückstellungsfähig ist und gem. § 35 Abs. 6 BtMG die Zurückstellung der anderen Strafen hindert. Denn die Zurückstellung nach § 35 BtMG kann nur erfolgen, wenn nicht eine weitere, nicht zurückstellungsfähige Freiheitsstrafe zur Vollstreckung ansteht (Körner, BtMG, 6. Auflage 2007, § 35 Rdnr.443).

Gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Strafvollstreckung ist grundsätzlich der Rechtsweg nach §§ 21 StrVollstrO, 23 ff EGGVG gegeben, sofern die Maßnahme nicht ausnahmsweise aufgrund gesetzlicher Anordnung der umfassenden Beurteilung durch das Gericht unterliegt. Es handelt sich um Verwaltungsentscheidungen, die nur der eingeschränkten Rechtskontrolle nach § 23 EGGVG unterliegen.

Die Ablehnung des Antrages auf Vorwegvollstreckung der nicht zurückstellungsfähigen Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 05.06.2008 gehört nicht zu den Entscheidungen, die nach § 458 StPO der umfassenden Beurteilung durch die Strafvollstreckungskammer unterliegen.

Nach § 458 Abs. 2 StPO entscheidet das Gericht über Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im Rahmen des § 454 b Abs. 2 StPO, der die Unterbrechung der Vollstreckung zum 2/3-Zeitpunkt regelt.

Durch das Dreiundzwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz vom 13.04.1986 wurde die ursprünglich in § 43 Abs. 3 S. 1 der StrVollstrO enthaltene Regelung, wonach bei Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen die Vollstreckung der jeweiligen Strafe nach Ablauf von zwei Dritteln zu unterbrechen ist, in § 454 b Abs. 2 StPO übernommen. Der Gesetzgeber wollte die Unterbrechung zum 2/3-Zeitpunkt, die bis dahin lediglich als Verwaltungsanordnung in der StrVolls...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?