Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei zurückgenommener Familienstreitsache vor Rechtshängigkeit
Leitsatz (amtlich)
In Familienstreitsachen nach § 112 FamFG gilt bei Antragsrücknahme über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 ZPO entsprechend. Von dem Regelfall der Kostentragung des Antragstellers kann nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO abgewichen werden, soweit der Anlass zur Einreichung der Antragsschrift vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und der Antrag darauf zurückgenommen wird (Rechtsgedanke nach §§ 91a, 93 ZPO). Das kann der Fall sein, wenn in einer Familienstreitsache mit Einreichung der Antragsschrift zugleich auch ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt wird und das Familiengericht vor einer Entscheidung hierüber die Antragsschrift noch nicht zugestellt hat und der Hauptsacheantrag später (auch) vor Zustellung der Antragsschrift zurückgenommen wird. Dafür, dass ein Anlass zu einer abweichenden Ermessensentscheidung besteht, trägt der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast (Thomas/Putzo, 31. Aufl., § 269 Rz. 16).
Normenkette
ZPO §§ 112, 113 Abs. 1 S. 2, § 269 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Eschweiler (Beschluss vom 21.07.2010; Aktenzeichen 12 F 128/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG Eschweiler -Familiengericht - vom 21.7.2010 - 12 F 128/10 - abgeändert und neu gefasst:
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.
Der Beschwerdeführerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung ihrer Beschwerde unter Beiordnung von Rechtsanwalt M., B.-C. bewilligt.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Familiengerichts hat in der Sache Erfolg. Der Antragsteller hat nach Rücknahme seines Antrags die Kosten des Verfahrens nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 269 Abs. 3 Satz 3, 2. HS ZPO zu tragen. Dies entspricht der Billigkeit.
Das Verfahren war nicht nur ein Verfahrenskostenhilfeverfahren. Vielmehr hat der Antragsteller bereits seinen Sachantrag, der mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag verbunden war, anhängig gemacht. Rechtshängigkeit lag noch nicht vor. Es bestand noch kein Prozessrechtsverhältnis mit der Antragsgegnerin, denn das AG hatte den Antrag noch nicht zugestellt, sondern das Gesuch auf Verfahrenskostenhilfe mit dem Antrag lediglich zur Kenntnis übersandt. Der Antragsteller hat somit nur seinen anhängigen, noch nicht zugestellten Antrag zurückgenommen. Diesen Fall regelt über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG § 269 Abs. 3 Satz 3 a.E. ZPO. Von dem Regelfall der Kostentragung des Klägers/Antragstellers kann in diesen Fällen gemäß der genannten Vorschrift abgewichen werden. Dafür, dass ein Anlass zu einer abweichenden Ermessensentscheidung besteht, trägt der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast (Thomas/Putzo, 31. Aufl., § 269 Rz. 16). Die Voraussetzungen für eine solche, vom Regelfall abweichende Entscheidung ergeben sich hier weder aus dem Vorbringen des Antragstellers, noch sind sonst Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die zu einer anderen Entscheidung führen könnten.
Dem Antragsteller stand jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragseinreichung ein Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung - noch - nicht zu. Grundsätzlich besteht ggü. dem Ehepartner ein Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung des Wohnungsmietvertrages. Unabhängig davon, ob dieser Anspruch sich aus entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Gemeinschaft oder Gesellschaft bzw. aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB herleitet, wird dieser Anspruch durch den Grundsatz der ehelichen Solidarität überlagert. Danach dürfen einem Kündigungsverlangen keine Gesichtspunkte aus den Gründen (nach-) ehelicher Solidarität entgegenstehen (vgl. OLG Köln v. 14.3.2006, FamRZ 2007, 46; Handbuch des Fachanwalts, Familienrecht, 6. Aufl., 8. Kapitel, Rz. 114 ff., 116a m.w.N.).
Solche Gesichtspunkte stehen regelmäßig bei einem bereits abgeschlossenen Scheidungsverfahren nicht entgegen. Anders ist das Zustimmungsverlangen zu beurteilen, wenn das Scheidungsverfahren - wie hier - noch nicht abgeschlossen oder sogar noch nicht anhängig ist. Dann kann die Einwilligung zur Kündigung erst verlangt werden, wenn die Trennung der Eheleute endgültig ist und zugleich der mit der Ehe verbundene Treu-und-Glaubens-Grundsatz nicht verletzt wird, § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Im vorliegenden Fall widerspricht das Kündigungsverlangen des Antragstellers diesen - hier - noch ehelichen Solidaritätsgrundsätzen. Die Eheleute hatten sich erst am 18.2.2010 getrennt; zugleich ist der Antragsteller an diesem Tag ausgezogen und hat am Ende des Monats die Wohnung gekündigt. Das erste nichtgerichtliche Kündigungsverlangen datiert bereits vom 28.2.2010, der Antrag auf Zustimmung ist am 20.4.2010 beim Familiengericht eingegangen. Die Antragsgegnerin hat am 16.4.2010 ggü. dem Vermieter die Zustimmung zur Kündigung erteilt. Sie bewohnte zu dieser Zeit noch die Wohnung mit dem gemeinsamen Kind. Abgese...