Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegegeld als unterhaltsrelevantes Einkommen
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich zählt das vom Pflegeberechtigten bezogene Pflegegeld zu seinem Einkommen. Da das Pflegegeld aber grundsätzlich die Aufwendungen des Pflegeberechtigten decken soll, die in Folge seiner Pflegebedürftigkeit anfallen, besteht zunächst eine Vermutung dafür, dass gewährte Sozialleistungen die Kosten der Aufwendungen decken und nicht geringer als diese sind. Jedoch kann im Einzelfall diese Vermutung als widerlegt angesehen werden.
2. Diese tatsächliche Vermutung ist widerlegt, wenn sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus sonstigen für das Gericht erkennbaren objektiven Umständen solche Tatsachen ergeben, die es rechtfertigen könnten, das bezogene Pflegegeld nicht als für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehendes Einkommen anzusehen.
Normenkette
ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 02.10.2007; Aktenzeichen 47 F 109/07 (PKH)) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den seinen Antrag auf Prozesskostenhilfebewilligung zurückweisenden Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 2.10.2007 - 47 F 109/07 PKH - wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag der Beklagten, ihr für vorliegendes Beschwerdeverfahren des Klägers Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das FamG dem Kläger für seine negative Feststellungsklage, mit der er festgestellt wissen will, dass er seinen Kindern T, geboren am 3.6.1990, und U, geboren am 10.1.1994, keinen Kindesunterhalt mehr schuldet, mangels der gem. § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert.
Mit seiner negativen Feststellungsklage will der Kläger die Wirkung der einstweiligen Anordnung vom 28.11.2006 des AG - FamG - Bonn - 47 F 264/06 UK - (Bl. 18, 18r BA) beseitigt wissen, wonach er ab September 2006 Kindesunterhalt für die Tochter T und den Sohn U i.H.v. 100 % des Regelbetrages nach der Regelbetragsverordnung gemäß der 3. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, mithin also insgesamt 582 EUR zu zahlen hat.
Der Kläger hält sich für nicht leistungsfähig; indes hat er seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Der Kläger ist für seine mangelnde Leistungsfähigkeit gegenüber seinen minderjährigen Kindern darlegungs- und beweispflichtig. Der Senat sieht es als nicht ausreichend glaubhaft gemacht an, dass er seinen minderjährigen Kindern nicht einmal den Regelbetrag nach der Regelbetragsverordnung zahlen kann.
Zutreffend ist allerdings, dass es dem Kläger, der bereits das 65. Lebensjahr vollendet hat und Altersrente bezieht, nicht mehr zuzumuten ist, eine Nebentätigkeit aufzunehmen. Ab Erreichen der allgemeinen gesetzlichen Altersgrenze von 65 Jahren kann eine Erwerbstätigkeit generell nicht mehr erwartet werden. Die Respektierung dieser Grenze entspricht einer allgemeinen sozialen Gepflogenheit, die auch im Unterhaltsrecht Geltung beanspruchen kann, denn auch einem Unterhaltsberechtigten kann nicht das Recht abgesprochen werden, den Lebensabend zu genießen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., § 204 Rz. 416). Gleichwohl ist der Kläger auch ohne Aufnahme einer Nebentätigkeit leistungsfähig, um den gemäß einstweiliger Anordnung titulierten Unterhalt an seine minderjährigen Kinder zu zahlen. Der Kläger hat nämlich alles ihm verfügbare Einkommen einzusetzen, um zumindest den Mindestbedarf seiner minderjährigen Kinder zu decken. Das heißt aber, dass er seine Renteneinkünfte einschließlich des von ihm bezogenen Pflegegeldes dazu verwenden muss, um den Unterhaltsbedarf seiner Kinder zu decken. Mit Rente und Pflegegeld verfügt der Kläger über ein Einkommen von 1.477,79 EUR. Unter Berücksichtigung eines ihm zu belassenden Mindestselbstbehaltes von 900 EUR verbleiben ihm für Unterhaltsleistungen rechnerisch rund 578 EUR (aufgerundet). Laut einstweiliger Anordnung sind Unterhaltsansprüche tituliert von insgesamt 582 EUR. Es kann dem Kläger zugemutet werden, den geringfügig seinen Mindestselbstbehalt überschreitenden Mehrbetrag von 4 EUR zu zahlen.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Pflegegeld grundsätzlich die Aufwendungen des Klägers decken soll, die in Folge seiner Pflegebedürftigkeit bestehen. Auch wenn grundsätzlich eine Vermutung dafür besteht, dass gewährte Sozialleistungen die Kosten der Aufwendungen decken und nicht geringer als diese sind, kann im Einzelfall diese Vermutung als widerlegt angesehen werden. Insoweit ist auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen.
Nach Auffassung des Senats ist die oben genannte tatsächliche Vermutung widerlegt. Denn es sind keine solchen Umstände erkennbar, die es rechtfertigen, das bezogene Pflegegeld nicht als für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehendes Einkommen...