Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung fiktiver Vermögenserträgnisse bei Unterhaltsverpflichtung gegenüber minderjährigen Kindern
Leitsatz (redaktionell)
1. Verbraucht der Unterhaltspflichtige in Ansehung einer drohenden krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit und seiner hieraus resultierenden Leistunglsunfähigkeit erhebliches Vermögen, so sind ihm, wenn der Verbrauch aus unterhaltsrechtlich nicht zu billigenden Umständen erfolgt ist, zumindest im Rahmen seiner Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt gegenüber minderjährigen Kindern fiktive Vermögenserträgnisse zuzurechnen, um zumindest deren Existenzminimum zu sichern. Den Unterhaltspflichtigen trifft nämlich die Obliegenheit, Vermögen in üblicher, sicherer Weise ertragreich anzulegen, wenn sonst Unterhaltsmittel fehlen (so Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., 2004, Rz. 681; vgl. hierzu auch BGH v. 22.10.1997 – XII ZR 12/96, MDR 1998, 47 = FamRZ 1998, 87 (89); OLG Hamm v. 25.2.1998 – 12 UF 182/97, FamRZ 1999, 233 (235)).
2. Musste der Unterhaltspflichtige im Zeitpunkt des Verbrauch des Vermögens damit rechnen, leistungsunfähig zu werden, war er gehalten, vorhandenes Vermögen entsprechend einzusetzen. Insoweit kann der Unterhaltsverpflichtete des Weiteren auch durchaus gehalten sein, zu Unterhaltszwecken den Vermögensstamm anzugreifen und bis auf ein ihm zu belassenes Schonvermögen zu verbrauchen.
Normenkette
BGB §§ 1601-1602, 1603 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 13.06.2005; Aktenzeichen 49 F 90/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den ihren Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurück weisenden Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 13.6.2005 - 49 F 90/05 - wird insoweit zurückgewiesen, als das FamG in dem angegriffenen Beschluss den Beklagten für die erhobene Widerklage die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert hat.
Im Übrigen wird auf die vorgenannte Beschwerde der Beklagten der vorgenannte Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 13.6.2005 aufgehoben und die Sache an das FamG zur erneuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zurückverwiesen, soweit sich die Beklagten gegen die erhobene Abänderungsklage des Klägers wehren wollen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige - insb. frist und formgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache nur teilweise Erfolg, nämlich insoweit, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FamG insoweit zurückzuverweisen war, als sich die Beklagten gegen die erhobene Abänderungsklage des Klägers verteidigen wollen.
Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Verteidigung der Beklagten kann nicht mit der vom AG vorgenommenen Begründung allein verneint werden, wonach sich aufgrund der Auskünfte des Klägers zu seinen jetzigen Einkommensverhältnissen seine Leistungsfähigkeit in dem von ihm errechneten Umfang vermindert habe, sodass die titulierten Unterhaltsbeträge antragsgemäß anzupassen seien.
Im Ansatz zutreffend geht zwar das FamG davon aus, dass sich nach den Auskünften des Klägers ergibt, dass er nur noch im beantragten Umfang leistungsfähig ist. Allerdings kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Kläger Vermögenserträgnisse (fiktiv) zurechnen lassen muss. Dies wäre dann der Fall, wenn der Kläger in Ansehung seiner möglichen Erwerbsunfähigkeit sich aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht zu billigenden Umständen dadurch leistungsunfähig gemacht hat, dass er sein Vermögen, welches aus einer Erbschaft stammte, ausgegeben hat.
Den Unterhaltspflichtigen trifft nämlich die Obliegenheit, Vermögen in üblicher, sicherer Weise ertragreich anzulegen, wenn sonst Unterhaltsmittel fehlen (so Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rspr. zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., 2004, Rz. 681; vgl. hierzu auch BGH v. 22.10.1997 - XII ZR 12/96, MDR 1998, 47 = FamRZ 1998, 87 [89]; OLG Hamm v. 25.2.1998 - 12 UF 182/97, FamRZ 1999, 233 [235]).
Ob eine solche schuldhafte Unterhaltspflichtverletzung anzunehmen ist, wenn der Kläger - wie er angibt - tatsächlich sein gesamtes Vermögen verbraucht hat, bedarf weiterer tatsächlicher Aufklärung im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren. Der Vortrag der Beklagten zu einer solchen möglichen schuldhaften Obliegenheitsverletzung des Klägers ist konkretisierungsbedürftig, bevor man sich zur Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung abschließend ein Urteil bilden kann.
Für diese Frage entscheidend ist, wann der Kläger die Erbschaft gemacht hat und wann er das aus der Erbschaft erlangte Vermögen verbraucht hat. Dabei spielt es eine entscheidende Rolle, ob der Kläger im Zeitpunkt des Verbrauches der Erbschaft damit rechnen musste, erwerbsunfähig zu werden. In diesem Falle wäre er nämlich gehalten gewesen, vorhandenes Vermögen so einzusetzen, dass er jedenfalls in der Lage war, seinen minderjährigen Kindern zumindest das Existenzminimum zu sichern. Insoweit kann der Unterhaltsverpflichtete des Weiteren auch durchaus gehalten sein, zu Unterhaltszwecken den Vermögens...