Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt, Zulässigkeit des Antrages eines Sorgeberechtigten bei Obhutswechsel des vertretenen minderjährigen Kindes
Leitsatz (amtlich)
Ein minderjähriges Kind, das zunächst in einem Unterhaltsverfahren gegen ein Elternteil von dem anderen Elternteil, bei dem es lebt, vertreten wird, verliert seine Verfahrensfähigkeit mit einem Obhutswechsel zu dem in Anspruch genommenen Elternteil rückwirkend auch hinsichtlich der bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Unterhaltsansprüche
Normenkette
FamFG § 113 I; ZPO § 51; BGB §§ 107, 1629 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, den von dem AG - Familiengericht - Brühl am 4.7.2012 erlassenen Beschluss - 32 F 239/11 - auf die Beschwerde des Antragsgegners aufzuheben, seinen Antrag, den Antragsgegner unter Abänderung der Unterhaltsurkunde des Jugendamts der Stadt C vom 17.8.2011 zur Zahlung von monatlichem Unterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts für die jeweilige Altersstufe zu verpflichten, als unzulässig zurückzuweisen und seiner Mutter die in beiden Rechtszügen entstandenen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Für den Antragsteller besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28.12.2012.
Dem Antragsgegner wird auf seinen Antrag vom 5.10.2012 mit Wirkung ab dessen Eingang bei Gericht am selben Tag für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwältin C in Q Verfahrenskostenhilfe bewilligt, und zwar wegen der von ihm unter dem 19.10.2012 angegebenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegen Ratenzahlung i.H.v. monatlich 75 EUR.
Gründe
I. Mit dem im Tenor näher bezeichneten Beschluss hat das AG den Antragsgegner, der in einem anderen Haushalt lebt als die Kindesmutter, antragsgemäß verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen seiner Mutter, bei er wohnte und die mit dem Antragsgegner gemeinsam sorgeberechtigt ist, in Abänderung der Urkunde des Jugendamts der Stadt C vom 17.8.2011 ab Juni 2011 einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzgl. des halben Kindergeldes zu zahlen.
Mit seiner gegen diesen Beschluss eingelegten, auf Abänderung und Zurückweisung des Antrags des Antragstellers gerichteten Beschwerde trägt der Antragsgegner unter Vorlage einer Ummeldebestätigung der Stadt F vom 25.10.2012 vor, der Antragsteller lebe seit August, jedenfalls seit dem Tag der Ummeldung am 1.9.2012 in seinem Haushalt, und vertritt hieran anknüpfend u.a. die Auffassung, die Berechtigung der Kindesmutter zur Vertretung des Antragstellers gem. § 1629 Abs. 2 BGB sei mit dem Umzug des Antragstellers entfallen, und zwar rückwirkend auch hinsichtlich der Unterhaltsansprüche, die bis zu diesem Zeitpunkt geltend gemacht worden seien; die Kindesmutter sei von Anfang an als Vertreterin ohne Vertretungsmacht zu behandeln.
Der Antragsteller, der den Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde ankündigt, vertritt die Auffassung, für das Verfahren sei ohne Belang, dass er inzwischen beim Vater lebe. Dies geschehe erst einmal mit Billigung seiner Mutter. Dies könne ihres Erachtens aber nur zur Folge haben, dass sich der Unterhaltsanspruch für die Zukunft ändere, für die Vergangenheit aber der Antragsgegner den von dem AG titulierten Unterhalt zu zahlen habe.
II. Dem Senat ist gem. §§ 68 Abs. 3 Satz 2, 117 Abs. 3 FamFG die Möglichkeit eröffnet, über die Beschwerde des Antragsgegners ohne mündliche Verhandlung zu befinden, weil erstinstanzlich eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat und von deren Wiederholung im Rechtsmittelzug auch mit Blick auf das nach § 65 Abs. 3 FamFG zu berücksichtigende neue Beschwerdevorbringen des Antragstellers keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind.
Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners verspricht auch in der Sache Erfolg.
Der Unterhaltszahlungsantrag des Antragstellers ist seit seiner Aufnahme in den Haushalt des Antragsgegners unzulässig geworden. Von diesem Zeitpunkt an, der nach Maßgabe des unstreitigen Vorbringens des Antragsgegners auf (spätestens) den 1.9.2012 zu datieren ist, ist der Antragsteller nicht mehr verfahrensfähig i.S.d. §§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 51 ZPO i.V.m. §§ 2, 106, 107 BGB.
Nach diesen Vorschriften ist nur ein Geschäftsfähiger verfahrensfähig, also eine volljährige Person, während der Antragsteller am 1.9.2012 erst 14 Jahre alt geworden ist und damit nicht verfahrensfähig war und ist. Zwar war der Antragsteller zunächst gem. §§ 107, 1629 Abs. 2 S. 2 BGB durch seine Mutter ordnungsgemäß vertreten, da er bei dieser zunächst im Haushalt lebte. Indessen entfiel die Befugnis der Kindesmutter, gegen den Antragsgegner Unterhaltsansprüche des Antragstellers geltend zu machen, mit dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts zum Antragsgegner. Denn das Alleinvertretungsrecht steht demjenigen Elternteil zu, in dessen Obhut sich das Kind befindet...