Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz, dass der Tatrichter im Falle der Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt regelmäßig verpflichtet ist, auch Umstände festzustellen, die geeignet sind, den Schuldumfang näher zu bestimmen und einzugrenzen, gilt auch dann, wenn die Tat nicht zu einer Verurteilung nach § 316 StGB, sondern zum Schuldspruch wegen Vollrauschs (§ 323 a StGB) führt.
Normenkette
StPO § 349 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Düren (Entscheidung vom 21.10.2009; Aktenzeichen 83 Ss 3/10) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Düren zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrauschs zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25,00 Euro verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Straßenverkehrsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von 8 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Es hat zum Schuldspruch festgestellt:
"Der Angeklagte ist psychisch krank und nimmt deswegen Antidepressiva. Üblicherweise nimmt er eine Tablette pro Tag. In Ausnahmefällen nimmt er jedoch 2 Tabletten pro Tag zu sich. So ist es auch am 15.02.2009 geschehen. Obwohl dem Angeklagten bewusst war, dass sich die eingenommenen Antidepressiva nicht mit Alkohol vertragen, trank er am 15.02.2009 mit seinen Freunden in einem Restaurant mehrere Raki.
In diesem Zustand befuhr er gegen 3:35 Uhr mit dem Personenkraftwagen NE - FN 3344 in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand unter anderem die B 56 Richtung Kreisverkehr B 56 / L 136 in Düren. Infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit kam er im Kreisverkehr von der Fahrbahn ab und verursachte einen Verkehrsunfall, bei dem ein Baum beschädigt wurde. Der Schaden betrug 1.762,02 Euro. Die um 5:02 Uhr entnommene Blutprobe hat eine Blutalkoholkonzentration von 1,8 Promille ergeben."
Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:
"Der Angeklagte hat in der- Hauptverhandlung eingeräumt, dass er üblicherweise eine Tablette der ihm verschriebenen Antidepressiva zu sich nimmt, an besonders kritischen Tagen jedoch zwei Tabletten. So sei es auch am Tattage gewesen. Ferner sei ihm bewusst, dass sich diese Antidepressiva nicht mit Alkohol vertragen, dennoch habe er mit seinen Freunden in der Gaststätte gegessen und mehrere Raki getrunken. Im Übrigen könne er sich an nichts mehr erinnern.
Darüber hinaus stützt das Gericht seine Feststellungen auf die Aussage des Zeugen Maden, der detailreich und in sich schlüssig geschildert hat, dass er hinter dem Angeklagten hergefahren und dieser mit seinem Auto plötzlich gegen einen Baum gefahren sei. Er sei sodann auf den Angeklagten zu, um diesem zu helfen. Dabei habe er Alkoholgeruch festgestellt, der Angeklagte habe jedoch auf seine Fragen reagiert und insbesondere darum gebeten, nicht die Polizei hinzuzuziehen."
Zur rechtlichen Würdigung heißt es im amtsgerichtlichen Urteil:
"Der Angeklagte hat sich damit des vorsätzlichen Vollrausches gemäß § 323a Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Der Angeklagte hat sich vorsätzlich in einen Rauschzustand versetzt, denn er hat eine Kombination aus Antidepressiva und Alkohol zu sich genommen, obwohl ihm bewusst war, dass sich die Medikamente und der Alkohol nicht vertragen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte aufgrund des Rauches schuldunfähig war.
In diesem Rauschzustand hat er sodann eine rechtswidrige Tat, nämlich eine Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB begangen. Entgegen der Ansicht des Verteidigers kommt es nicht darauf an, dass der Angeklagte bereits zu dem Zeitpunkt, als er sich in den Rauschzustand versetzt hat, vor hatte ein Fahrzeug zu führen. Ein besonderer Zusammenhang zwischen dem sich berauschen und der Rauschtat ist nicht erforderlich, denn bei der Rauschtat handelt es sich um eine sogenannte objektive Bedingung der Strafbarkeit. Dies deshalb, weil schon der Vollrausch selbst materielles Unrecht darstellt, die Bedingung der Strafbarkeit jedoch den Bereich des Strafwürdigen einengen soll (Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 323a Rd. Nr. 17)."
Die Revision des Angeklagten rügt Verletzung materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Der Schuldspruch hält der Nachprüfung aufgrund der Sachrüge nicht stand.
Die getroffenen Feststellungen sind materiell-rechtlich unvollständig.
1.
Das gilt schon für den äußeren Tatbestand der - angenommenen - Rauschtat (Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB).
Im Falle der Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt (mit Verkehrsunfall oder auch folgenlos, vgl. SenE v. 03.04.2009 - 83 Ss 20/08 -) ist der Tatrichter regelmäßig verpflichtet, auch Umstände festzustellen, die geeignet sind, den Schuldumfang näher zu bestimmen und einzugrenzen (BayObLG VRS 93, 108 = NZV 1997, 244 = NStZ 1997, 359 = MDR 1997, 486; SenE v. 20.08...