Entscheidungsstichwort (Thema)
Missbräuchliche Richterablehnung zur Erzwingung einer Terminsverlegung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein mit krankheitsbedingter Verhinderung des Prozessbevollmächtigten begründeter Terminsverlegungsantrag muss die nicht vorhersehbare Verhinderung so darlegen, dass das Gericht in der Lage ist, die Frage der Reise- und/oder Verhandlungsfähigkeit des Prozessbevollmächtigten selbst zu beurteilen.
2. Genügt ein am Vortag des Verhandlungstermins gestellter Verlegungsantrag - auch nach gerichtlichem Hinweis auf die unzureichend dargelegte Verhinderung des Prozessbevollmächtigten - nicht diesen Anforderungen und versucht der Prozessbevollmächtigte stattdessen (im Namen der Partei wie auch im eigenen Namen), mit einem Befangenheitsgesuch den Verhandlungstermin zu verhindern, begründen die Verwerfung dieses Befangenheitsgesuchs als unzulässig und die Entscheidung in der Sache selbst unter Mitwirkung des abgelehnten Richters keine Befangenheitsablehnung der beteiligten Richter des OLG-Senats.
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 1 O 468/03) |
Tenor
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 29.6.2004 gegen den Vorsitzenden Richter am OLG F., den Richter am OLG I. und den Richter am LG Dr. N. wird für unbegründet erklärt.
Gründe
Die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten leiten zu Unrecht die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter daraus her, dass diese den Ablehnungsantrag der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.6.2004 gegen den Vorsitzenden Richter am OLG F - unter Mitwirkung des abgelehnten Richters - als unzulässig verworfen und in der Sache (durch Erlass eines die Berufung der Klägerin zurückweisenden Versäumnisurteils; der Verwerfungsbeschluss ist in Ziff. 2. jenes Versäumnisurteils enthalten) entschieden haben.
Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht ohnehin kein selbständiges Ablehnungsrecht in eigener Person zu (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 42 Rz. 2, m.w.N.) und die Klägerin kann bei vernünftiger Betrachtung nicht deshalb, weil die abgelehnten Richter das gegen den Vorsitzenden Richter am OLG F gerichtete Ablehnungsgesuch vom 16.6.2004 als rechtsmissbräuchlich bewertet und sich deshalb nicht gehindert gesehen haben, unter Mitwirkung dieses Richters sowohl über jenes Ablehnungsgesuch als auch in der Sache selbst zu entscheiden, die Besorgnis hegen, die zur Entscheidung berufenen Richter stünden der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber. Eine sachlich urteilende Partei würde sich nicht der Erkenntnis verschließen, dass die mit einer akuten Erkrankung der Rechtsanwältin M begründeten Anträge vom 15.6.2004 auf Verlegung des Verhandlungstermins vom 16.6.2004 nicht den Anforderungen entsprachen, welche die Rechtsprechung hieran stellt, und dass das Ablehnungsgesuch deshalb als der rechtsmissbräuchliche Versuch gewertet werden konnte, "die beantragte Terminsverlegung, die der Senat mit Rücksicht auf den nur substanzlos angegebenen Vertagungsgrund abgelehnt hat, auf dem Weg über eine Befangenheitsablehnung doch noch zu erzwingen" (wie es in der Begründung des Verwerfungsbeschlusses heißt).
Ein mit krankheitsbedingter Verhinderung des Prozessbevollmächtigten begründeter Terminsverlegungsantrag muss die nicht vorhersehbare Verhinderung schlüssig darlegen. Die Vorlage eines inhaltlich unergiebigen ärztlichen Attestes genügt hierzu nicht; die ärztliche Bescheinigung muss vielmehr so substantiiert sein, dass das Gericht aufgrund der darin enthaltenen Angaben in der Lage ist, die Frage der Reise- und/oder Verhandlungsfähigkeit selbst zu beurteilen (vgl. BVerwG v. 22.5.2001 - 8 B 69/01, NJW 2001, 2735). Wird ein Antrag auf Terminsverlegung erst "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, werden solche Angaben auch ohne gerichtliche Aufforderung verlangt (z.B. BFH v. 17.5.2000 - IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353). Im vorliegenden Fall sind die Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 15.6.2004 - per Fax - darauf hingewiesen worden, "dass der Verhandlungstermin am 16.6.2004 bestehen bleibt, weil eine Verhinderung von Frau Rechtsanwältin M nicht hinreichend dargelegt ist". Das stattdessen mit weiterem Faxschreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15.6.2004 eingereichte ärztliche Attest vom selben Tage genügt diesen Anforderungen ersichtlich nicht, weil es sich in der unsubstantiierten Erklärung erschöpft: "Frau M ist vom 15.6.2004 bis 16.6.2004 akut erkrankt und ist nicht reisefähig" und nicht einmal erkennen lässt, dass diese Bescheinigung auf einer eigenen Untersuchung der Anwältin und nicht etwa allein auf deren Angaben beruht. Die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten konnten daher nicht ernsthaft erwarten, dass dem Terminsverlegungsantrag nunmehr stattgegeben werden würde (ausweislich der Akten wurden sie denn auch aufgrund einer am Morgen des 16.6.2004 um 9.40 Uhr getroffenen Verfügung des Senatsvorsitzenden telefonisch davon unterrichtet, dass der - um 14.15 Uhr ...