Leitsatz (amtlich)
Ergibt sich aus den gesamten dem Gericht aus dem Akteninhalt bekannten Umständen, dass die Eltern, die über das Sorgerecht streiten, in wesentlichen Fragen konsensfähig und konsensbereit sind, obwohl sie sich ihre Konsensfähigkeit wechselseitig absprechen, so verbleibt es bei dem gemeinsamen Sorgerecht.
Normenkette
BGB §§ 1671, 1687
Verfahrensgang
AG Bonn (Aktenzeichen 41 F 172/01) |
Tenor
Die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 12.6.2002 (Bl. 178, 179 GA) gegen den Beschluss des AG – FamG – Bonn vom 24.4.2002 – 41 F 172/01 –, durch den der Antrag der Beteiligten zu 2), ihr das alleinige Sorgerecht bezüglich des Kindes P.W. zu übertragen, abgewiesen worden ist, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 2).
Der Antrag der Beteiligten zu 2), ihr zur Durchführung des befristeten Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. §§ 621e Abs. 1, 3, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige befristete Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist nicht begründet.
Das FamG hat zu Recht den Antrag der Beteiligten zu 2), ihr das alleinige Sorgerecht über das gemeinsame Kind der Beteiligten zu 1) und 2) P. zu übertragen, zurückgewiesen.
Die Ehe der Beteiligten zu 1) und 2) wurde am 20.3.2001 geschieden. Im Gegensatz zu der früheren Regelung in § 1671 BGB a.F. führt die Scheidung nicht mehr von Amts wegen zur Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil oder einen Vormund. Nach der Neuregelung des Sorgerechts fördert vielmehr das Gesetz nunmehr, dass die Eltern bei Trennung bzw. Scheidung die gemeinsame Sorge beibehalten und erleichtert das durch eine detaillierte Regelung der Handhabung des gemeinsamen Sorgerechts getrennt lebender bzw. geschiedener Eltern (§ 1687 BGB). Hintergrund der Neuregelung der Übertragung der elterlichen Sorge ist, dass Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ist. In diese Rechte darf der Staat grundsätzlich nur im Rahmen seines staatlichen Wächteramtes (Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG) eingreifen. Eingriffe in das Elternrecht sind insbesondere dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn gerade durch die Sorgerechtsausübung das Wohl des Kindes dadurch gefährdet wird (vgl. BVerfG FF 2002, 135 [137]). Dieses jedem Elternteil zustehende Grundrecht wird durch die Regelung in § 1671 Abs. 2 BGB dadurch geschützt, dass einem Elternteil gegen seinen Willen auf Antrag des anderen Elternteils sein Sorgerecht nur ganz oder teilweise entzogen werden darf, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Dabei ist bei den gerichtlicherseits zu treffenden Maßnahmen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (BverfG FF 2002, 135 [137]).
Die Kindeswohlentscheidung gleicht die fehlende Zustimmung des widersprechenden Elternteils aus; sie darf sich allerdings nicht damit begnügen festzustellen, der Antragsteller sei der „bessere” Elternteil. Die Begründung der Alleinsorge muss vielmehr grundsätzlich gegenüber der gemeinsamen Sorge das Bessere für das Kind sein, wobei im Rahmen der gemeinsamen Sorge und zu ihren Gunsten die Möglichkeiten von § 1687 BGB mit in die Waagschale zu werfen sind. Danach ist bei bestehender gemeinsamer Sorge in Angelegenheiten des Kindes, deren Regelung von erheblicher Bedeutung sind, das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich (§ 1687 Abs. 1 S. 1 BGB). In Angelegenheiten des täglichen Lebens entscheidet dagegen der Elternteil alleine, bei dem sich das Kind gewöhnlich mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund gerichtlicher Entscheidung aufhält (§ 1687 Abs. 1 S. 2 BGB). Hält sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder aufgrund gerichtlicher Entscheidung bei dem anderen Elternteil auf, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung (§ 1687 Abs. 1 S. 3 BGB).
Das Verfahren nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat sich ausschließlich am Kindeswohl zu orientieren, so dass grundsätzlich vermögensrechtliche Straftaten des Antragsgegners unberücksichtigt zu bleiben haben (vgl. Palandt/Diederichsen, 61. Aufl., § 1671 BGB Rz. 26). Von daher ist der Vorwurf der Beteiligten zu 2), gegen den Beteiligten zu 1) laufe ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges, für das vorliegende Sorgerechtsverfahren ohne Bedeutung.
Anders verhält es sich allerdings mit dem geäußerten Vorwurf der Beteiligten zu 2), der Beteiligte zu 1) habe während der Ehe ihre Tochter aus erster Ehe sexuell missbraucht. Diesbezüglich lief allerdings bereits ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, welches jedoch nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Die Beteiligte zu 2) will sich hiermit jedoch nicht zufrieden geben und betreibt wohl die Wiederaufnahme des Verfahrens, ohne dass der Senat begründete Anhaltspunkte dafür hat, dass sich bezüglich de...