Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung geänderten Sachvortrags als neues Vorbringen
Leitsatz (amtlich)
Geht der Vortrag in erster Instanz ausschließlich dahin, dass bei einem bestehenden Krankheitsbild (hier Hallux Valgus-Deformität) und hierauf beruhender Operation eine Wundheilungsstörung nicht erkannt und angemessen behandelt worden sei, stellt der erstmals in zweiter Instanz gebrachte Vortrag, das Krankheitsbild sei verkannt und die Operation in dieser Form nicht veranlasst gewesen, auch bei der im Arzthaftungsprozess grundsätzlich gebotenen Großzügigkeit sich als neue Stoßrichtung und nicht lediglich als Vertiefung, Ergänzung, Fortentwicklung oder Präzisierung des alten Vorbringens dar, der gem. § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden kann.
Normenkette
ZPO § 531
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 25.05.2012; Aktenzeichen 25 O 40/11) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 25.5.2012 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln (25 O 40/11) durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung des LG beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
Das LG hat vielmehr zu Recht entschieden, dass der Feststellungsantrag der Klägerin in Bezug auf die immateriellen Schäden mangels Abgrenzung zu dem Zahlungsantrag zu 1. unzulässig ist, und dass der Klägerin gegen die Beklagte auch ungeachtet dessen aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ansprüche auf Zahlung von materiellem und immateriellem Schadensersatz zustehen, weil ihr der ihr obliegende Beweis für schadensursächliche Behandlungsfehler der Beklagten nicht gelungen ist. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, wird hier zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht und bietet lediglich Veranlassung für folgende ergänzende Anmerkungen:
Die Klägerin stellt sich mit ihrer Berufungsbegründung ohne Erfolg auf den Standpunkt, dass bei ihr vor der umstrittenen Operation kein Hallux valgus vorgelegen habe, und dass das Gutachten des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen Dr. D keine hinreichende Entscheidungsgrundlage darstelle, weil der Sachverständige die Diagnose der Beklagten in deren Entlassungsbrief ungeprüft und trotz eines Widerspruches zu einer Diagnose, die im Hause der Beklagten sechs Wochen nach der Operation gestellt worden sei, übernommen und nicht erkannt habe, dass das Vorgehen der Beklagten vor dem Hintergrund der richtigen präoperativen Diagnose einer Fehlstellung nur der Zehen 2 - 5 des linken Fußes nicht ordnungsgemäß gewesen sei.
Denn zum einen handelt es sich bei dem Berufungsvorbringen der Klägerin um neues Vorbringen i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO, wobei Gründe für die Zulassung dieses Vorbringens weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind [näher dazu sogleich zu 1.]. Zum anderen verfangen die Berufungsangriffe der Klägerin aber auch in der Sache nicht [näher dazu sogleich zu 2.].
1. Das Berufungsvorbringen der Kläger ist - trotz der gebotenen Zurückhaltung bei der Anwendung von § 531 Abs. 2 ZPO auf Berufungsvorbringen eines betroffenen Patienten in Arzthaftungssachen - als neues Vorbringen i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO zu bewerten. Denn es stellt einen vollkommen neuen Vorwurf mit einer vollkommen neuen Stoßrichtung dar. In erster Instanz hatte die Klägerin von der Klageschrift an und konsequent während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens selbst vorgetragen, dass sie sich wegen einer Hallux-valgus-Deformität in die stationäre Behandlung in das Haus der Beklagten begeben habe. Ihre Behandlungsfehlervorwürfe gegen die Behandler im Hause der Beklagten zielten in erster Linie darauf ab, dass sie nach der Operation zu früh aus der stationären Behandlung entlassen und dass die bei ihr aufgetretene gravierende Wundheilungsstörung im Hause der Beklagten nicht erkannt worden sei. Auch nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens hat die Klägerin innerhalb der gem. § 411 Abs. 4 ZPO förmlich gesetzten Stellungnahmefrist den Umstand, dass der Sachverständige von einer bei der Klägerin präoperativ vorhanden gewesenen Hallux-valgus-Deformität ausgegangen ist, in keiner Weise angegriffen. Auch im Rahmen der ergänzenden mündlichen Anhörung des Sachverständigen am 27.4.2012 hat sie trotz entsprechender Gelegenheit hierzu die diesbezüglichen Feststellungen des Sachverständigen nicht hinterfragt. Vor diesem Hintergrund kann die erstmals in der Berufungsbegründung aufgestellte Behauptung der Klägerin, dass bei ihr präoperativ keine Hallux-valgus-Deformität vorgelegen habe, bei aller gebotenen Großzügigkei...