Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutwillig herbeigeführte Bedürftigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Unterhaltsanspruch ist nach § 1579 Nr. 4 BGB zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat. Zur Feststellung der Mutwilligkeit i.S.d. des § 1579 Nr. 4 BGB reicht ein in Bezug auf die Erwerbsfähigkeit leichtfertiges Verhalten aus (Palandt/Brudermüller, 71. Aufl., § 1579 Rz. 21). Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, also grob fahrlässig handelt.

Eine solch leichtfertiges Handeln kann angenommen werden, wenn sich die Berechtigte wegen ihrer psychische Probleme, unter denen schon sie seit langem gelitten hatte, bereits in anderen Verfahren auf ihre Erwerbsunfähigkeit berufen hat und sich später trotz Kenntnis dieser psychischen Erkrankung nicht entsprechend den Hinweisen des Familienrichters im damaligen Verfahren in fachkundige Hilfe begeben hat, sich stattdessen zudem noch in eine mit Gewalt belastete neue Beziehung eingelassen und diese trotz der erkannten weiteren verstärkten psychischen Belastung nicht sofort abgebrochen hat.

 

Normenkette

BGB § 1579 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 15.11.2011; Aktenzeichen 407 F 10/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 15.11.2011 erlassenen Beschluss des AG -Familiengericht- Bonn (407 F 10/11) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Familiengericht der Antragsgegnerin die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe verweigert. Auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss sowie im Nichtabhilfebeschluss vom 19.12.20111 wird zur Vermeidung von Wiederholungen hingewiesen.

Die Voraussetzungen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs könnten sich allenfalls aus § 1572 BGB ergeben. Unabhängig von der Frage, ob die Antragsgegnerin tatsächlich krankheitsbedingt arbeitsunfähig und deshalb bedürftig ist, steht einem nachehelichen Unterhalt das Verhalten der Antragsgegnerin entgegen, das nach der im Verfahrenskostenhilfeverfahren vorgesehenen summarischen Prüfung unter § 1579 Nr. 4 oder Nr. 8 BGB fällt und deshalb einen möglichen Unterhaltsanspruch entfallen lässt.

Wie aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten Bestätigung der behandelnden Dipl. Psychologin v. 18.11.2011 hervorgeht und worauf das Familiengericht ebenfalls schon hingewiesen hat, beruht der attestierte Zustand der Antragsgegnerin aus einer ca. dreimonatigen Partnerschaft mit einem "offensichtlich sadistisch veranlagten Partner", der ihr gegenüber auch in verschiedener Form gewalttätig geworden sein soll.

Aufgrund der Dauer der Beziehung ist davon auszugehen, dass diese Beziehung seitens der Antragsgegnerin bewusst und gewollt eingegangen wurde. Warum sie, nachdem diese Beziehung sie offensichtlich erheblich belastet und auch traumatisiert hat, sich nicht von diesem Partner umgehend getrennt und damit weiter gehende psychische Belastungen vermieden hat, ist nicht erkennbar. Tatsächlich befand sich die Antragsgegnerin offensichtlich von ca. Mai 2011 bis zumindest Juli 2011 in dieser - nach ihrer Schilderung - von Gewalt geprägten Beziehung und hat erst Ende Oktober 2011 fachkundige Hilfe in Anspruch genommen. Gründe, warum es nicht sofort nach den ersten Auffälligkeiten zu einer Trennung von diesem Partner gekommen ist, hat die Antragsgegnerin, auch nachdem das AG auf diesen Punkt hingewiesen hat, nicht vorgetragen. Auch im Übrigen ist der Ablauf dieser Beziehung im einzelnen ungeklärt geblieben.

Aufgrund des Vortrags der Antragsgegnerin sowie der von ihr vorgelegten Unterlagen ist deshalb davon auszugehen, dass sie ihre aktuelle - behauptete - Erkrankung durch eigenes Verhalten mitverursacht hat. Dieses Verhalten ist in Bezug auf ihre Erwerbsfähigkeit zumindest als leichtfertig anzusehen, was zur Feststellung der Mutwilligkeit i.S.d. des § 1579 BGB ausreicht (Palandt/Brudermüller, 71. Aufl., § 1579 Rz. 21). Die Antragsgegnerin, die sich bereits in den Vorverfahren 407 F 380/10 und 381/10 auf psychische Probleme, unter denen sie seit langem leide, berufen und sich deshalb als erwerbsunfähig bezeichnet hat (vgl. Protokoll des Termins 16.11.2010), hätte sich entweder entsprechend den Hinweisen des Familienrichters im damaligen Termin bereits im Jahr 2010 in fachkundige Hilfe begeben müssen, oder hätte zumindest eine solche belastende und mit Gewalt verbundene Beziehung von vornherein vermeiden oder sofort abbrechen müssen. Wenn sie gleichwohl diese Partnerschaft im Wissen um ihre eingeschränkte psychische Belastbarkeit eingeht und mehrere Monate fortführt, handelt sie in Hinblick auf ihre psychische Gesundheit und einer davon abhängigen Erwerbsfähigkeit unvernünftig und leichtfertig.

Schließlich wäre ein Unterhalts...

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