Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Nachzahlungsanordnung zur Korrektur bei fehlerhafter Bewilligung von PKH
Leitsatz (amtlich)
Durch den Verkauf eines Hausgrundstücks wird nur ein vorhandener Vermögenswert realisiert; die wirtschaftlichen Verhältnisse ändern sich nicht mit Erhalt des Erlöses.
Eine Nachzahlungsanordnung nach § 120 Abs. 4 ZPO setzt eine Veränderung der Verhältnisse voraus; eine Korrektur einer fehlerhaften Bewilligung von PKH bei unveränderten Voraussetzungen ist unzulässig. Die Regelung des § 120 Abs. 4 ZPO dient aber (anders als die Vorschrift des § 124 ZPO) nicht dazu, eine unzutreffende Bewertung bei der Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu korrigieren.
Normenkette
ZPO § 120 Abs. 4, § 127 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Brühl (Beschluss vom 27.04.2006; Aktenzeichen 35 F 200/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem LG Köln vom 17.5.2006 gegen den Beschluss des AG - FamG - Brühl vom 27.4.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antragstellerin war durch Beschluss vom 21.12.2000 unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. in X. ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Verbundverfahren über Scheidung, Versorgungsausgleich, Umgangsregelung und Zugewinnausgleich bewilligt worden. In der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hatte die Antragstellerin ein Bruttoeinkommen von 2.750 DM sowie eine Miete einschließlich Nebenkosten von insgesamt 1.070 DM angegeben. Ferner waren an Vermögenswerten aufgeführt ein halber Miteigentumsanteil an einem Grundstück in X., ein Kontoguthaben von 6.044 DM, ein Pkw im Wert von ca. 6.500 DM sowie zwei Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert/Guthaben von 6.026 DM und 10.261 DM. Aus einem nachgereichten Übertragungsvertrag aus dem Jahr 1996 (Bl. 21 ff.) ergab sich ein von den Vertragparteien damals angegebener Grundstückswert i.H.v. 9.450 DM, das zum Zugewinnausgleichsverfahren eingeholte Gutachten hat demgegenüber bereits für den 5.9.1996 den Bodenwert auf 240.000 DM bestimmt und für den Stichtag des Ehezeitendes am 25.11.1999 auf 300.000 DM.
Das zugrunde liegende Scheidungsverbundverfahren ist durch das seit dem 22.5.2002 rechtskräftige Urteil abgeschlossen. Unter dem 14.2.2006 hat der Bezirksrevisor bei dem LG Köln beantragt, der Antragstellerin die einmalige Nachzahlung anteiliger Gerichtskosten (4.480,94 EUR) und der Rechtsanwaltskosten aus diesem Verfahren aufzugeben. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Antragstellerin aus dem Verkauf der Immobilie einen Erlös von 71.580 EUR erhalten hat. Lediglich die Ablösung einer Hypothek von 10.000 EUR hält der Bezirksrevisor für gerechtfertigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antragsschriftsatz Bezug genommen (Bl. 118 f.).
Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde gem. § 127 Abs. 3 ZPO zulässig (vgl. dazu OLG Nürnberg v. 6.4.1995 - 11 WF 193/95, FamRZ 1995, 1592 mit weiteren Nachweisen). Mangels förmlicher Zustellung hatte die Ein-Monats-Frist zur Einlegung der Beschwerde (§§ 569 Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) noch nicht zu laufen begonnen, im Übrigen ist die Beschwerde sogar innerhalb eines Monats nach Erlass der angefochtenen Entscheidung eingelegt worden.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zwar ist der Antrag des Bezirksrevisors auf Nachzahlung zulässig. Die voraus gegangenen Entscheidungen des FamG vom 15.4.2005 (Bl. 59) und vom 11.8.2005 (Bl. 111), durch welche nach Überprüfung der finanziellen Verhältnisse der Antragstellerin die ratenfreie Prozesskostenhilfe bestätigt worden ist, stehen dem Antrag auf Erlass einer Nachzahlungsanordnung nicht entgegen. Denn die Staatskasse war an diesen Überprüfungsverfahren nicht beteiligt. Es bestand daher für den Bezirksrevisor auch keine Möglichkeit zur Einlegung einer Beschwerde gegen die Feststellungsbeschlüsse.
Der Nachzahlungsantrag ist auch rechtzeitig gestellt. Die Sperrfrist von vier Jahren nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptverfahrens, innerhalb derer nur eine Abänderung zum Nachteil der Partei vorgenommen werden darf (§ 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO) war noch nicht abgelaufen und auch die angefochtene Entscheidung des FamG ist noch innerhalb der Sperrfrist ergangen. Schließlich ist das Antragsrecht des Bezirksrevisors auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass er die Kenntnis über den Grundstücksverkauf durch eine unredliche Handlung des beigeordneten Rechtsanwalts der Antragstellerin erhalten hat. Die Regeln der Beweisverwertungsverbote greifen insoweit nicht ein. Denn sie setzen voraus, dass in ein verfassungsrechtlich geschütztes Individualrecht eingegriffen wird und die Verwertung nicht ausnahmsweise durch Güterabwägung gerechtfertigt wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rz. 15a mit weiteren Nachweisen). Der Verstoß des beigeordneten Rechtsanwalts gegen seine Verschwiegenheitsverpflichtung wiegt jedoch geringer als das öffentliche Interesse auf ein unbeeinträchtigtes Sozialhilfesystem (zu welchem die Gewährung von Prozesskostenhilfe gehört), zumal der Verstoß nicht den Kernbereich der Rechtsberatung betrifft...