Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelung der elterlichen Sorge bei in der Vergangenheit lebensbedrohlichen Verletzungen des Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Rückübertragung der elterlichen Sorge für das in der Vergangenheit lebensbedrohlich verletzte Kind auf die leibliche Mutter bei gleichzeitiger Anordnung des Verbleibens bei Pflegeeltern
Normenkette
GG Art. 1-2, 6; BGB § 1632 Abs. 4, §§ 1666, 1666a
Verfahrensgang
AG Aachen (Beschluss vom 31.10.2007; Aktenzeichen 28 F 476/06) |
Tenor
Auf die Beschwerden des Antragstellers und der Verfahrenspflegerin wird unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Aachen vom 31.10.2007 (28 F 476/06) zusätzlich angeordnet, dass das Kind E L in der Obhut der Pflegeeltern, der Eheleute T in U, verbleibt.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
Die Antragsgegner sind die Eltern des am 26.9.2006 geborenen Sohnes E. Nachdem das früh geborene Kind im Elternhaus auf Kindesmisshandlung und ein Schütteltrauma hindeutende lebensbedrohliche Verletzungen erlitten hatte und am 25.11.2006 von den Antragsgegnern in ein Krankenhaus eingeliefert worden war, hat das AG den Kindeseltern, die sich zu den Ursachen der Körperverletzungen nicht näher geäußert haben, das Personensorgerecht durch einstweilige Anordnung vom 5.12.2006 entzogen und dem antragstellenden Jugendamt übertragen. E befindet sich seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus am 12.12.2006 in der Obhut der Pflegefamilie T. Die Antragsgegnerin und Kindesmutter, die sich von dem Kindesvater getrennt hat, hat das Kind in der Regel samstags für zwei bis drei Stunden bei den Pflegeeltern besucht.
Durch Beschluss vom 31.10.2007 hat das AG die einstweilige Anordnung auch in der Hauptsache hinsichtlich des Kindesvaters aufrechterhalten, die elterliche Sorge der Mutter zurückübertragen und ihr aufgegeben, sozialpädagogische Familienhilfe anzunehmen und mit dieser verlässlich zusammen zu arbeiten. Den Antrag des Jugendamtes, das Verbleiben des Kindes bei den Pflegeltern anzuordnen, hat das AG, wie den Gründen seiner Entscheidung zu entnehmen ist, zurückgewiesen.
Mit ihren hiergegen gerichteten Beschwerden wenden sich die Verfahrenspflegerin des Kindes und das Jugendamt insbesondere gegen die Versagung der Verbleibensanordnung. Die Kindesmutter tritt den Rechtsmitteln entgegen. Der Kindesvater, der gegen die Entziehung seines Sorgerechts kein Rechtsmittel eingelegt hat, schließt sich ihrer Rechtsverteidigung an.
Die nach § 621e ZPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen befristeten Beschwerden führen zur Anordnung des Verbleibs des Kindes bei den Pflegeeltern. Soweit sie sich gegen die Rückübertragung der elterlichen Sorge auf die Antragsgegnerin richten, haben die Rechtsmittel keinen Erfolg.
Der Senat vermag nicht festzustellen, dass das körperliche, geistige oder seelische Wohl des betroffenen Kindes oder sein Vermögen durch die Mutter so weit gefährdet wäre, dass der Entzug des elterlichen Sorgerechts nach den §§ 1666, 1666a BGB gerechtfertigt werden könnte. Es ist ungeklärt geblieben, wie es zu den schwerwiegenden Verletzungen des Kindes im elterlichen Haushalt gekommen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Mutter hierfür zumindest eine Mitverantwortung trifft, sei es auch deshalb, weil sie Verletzungshandlungen des Vaters keinen Einhalt geboten oder nicht zu einem früheren Zeitpunkt gesundheitliche Fürsorgemaßnahmen veranlasst hat. Solches Versagen kann sich heute nicht mehr zu ihrem Nachteil auswirken. Denn es spricht nichts dafür, dass es in Zukunft bei ihr noch zu Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Gefährdungen des Kindeswohls kommen könnte. Die Antragsgegnerin hat offenbar aus den früheren Vorkommnissen, die auch auf ihre Überforderung mit dem früh geborenen Kind zurückgeführt werden können, ihre Lehren gezogen, sich von dem Kindesvater getrennt und angemessene Erziehungsvorstellungen entwickelt. Nach dem vom Senat eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. V-B können wesentliche Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter nicht festgestellt werden, mögen die Erkenntnismöglichkeiten der Sachverständigen wegen des Aufenthalts des Kindes bei den Pflegeeltern auch begrenzt gewesen sein.
Gleichwohl bedarf es im Gegensatz zur amtsgerichtlichen Entscheidung der Anordnung des Verbleibs des Kindes E bei den Pflegeeltern. Diese Maßnahme kommt nach § 1632 Abs. 4 BGB dann in Betracht, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt, die Eltern es von der Pflegeperson wegnehmen wollen und das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Das Tatbestandsmerkmal der längeren Zeit der Familienpflege, das kinderpsychologisch zu verstehen ist, ist hier nach fast schon zwei Jahren unzweifelhaft erfüllt und könnte wegen des im frühen Säuglingsalter Es vollzogenen Obhutswechsels auch bei kürzerer Verweildauer bei den Pflegeeltern bejaht werden. Maßgebliche Bedeutung kommt hier dem Umstand zu, dass das Wohl des Kindes nach seinen derzeitigen Befindlichkei...