Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für das Berufungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Der nach Beendigung des Berufungsverfahrens festzusetzende Streitwert richtet sich trotz eines eingeschränkten Berufungsantrages nach der durch das angefochtene Urteil begründeten Beschwer, wenn der Antrag offensichtlich nicht auf die Durchführung des Rechtsmittels gerichtet ist. Dies ist der Fall, wenn sich aufgrund eindeutiger objektiver Umstände feststellen lässt, dass das Rechtsmittel nach dem gestellten Antrag offensichtlich nicht durchgeführt werden sollte.
Normenkette
GKG § 47 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 29.10.2010; Aktenzeichen 89 O 80/06) |
Tenor
Die Klägerin ist des eingelegten Rechtsmittels der Berufung verlustig und hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, nachdem sie ihre Berufung gegen das am 29.10.2010 verkündete Urteil des LG Köln (89 O 80/06) zurückgenommen hat, § 516 Abs. 3 ZPO.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.143.335,49 EUR festgesetzt.
Gründe
Mit der Klage hat die Klägerin Ansprüche aus einem Generalunternehmervertrag/Budgetvertrag vom 22.2.2006 in Höhe eines Betrages von 2.144.792,45 EUR nebst Zinsen gegen die Beklagte geltend gemacht.
Unter Abweisung der Klage im Übrigen hat das LG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.001.456,96 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.11.2010 fristgemäß Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 2.12.2010 begründet. In der Berufungsbegründung hat die Klägerin unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 1.338 EUR nebst Zinsen begehrt. Mit Schriftsatz vom 3.12.2010 hat die Klägerin ihre Berufung zurückgenommen und beantragt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 1.338 EUR festzusetzen.
Der nach Beendigung des Berufungsverfahrens festzusetzende Streitwert richtet sich trotz des eingeschränkten Berufungsantrages nach der durch das angefochtene Urteil begründeten Beschwer der Klägerin. Diese Beschwer entspricht der Klageforderung, mit der die Klägerin in erster Instanz unterlegen ist, mithin 2.144.792,45 EUR (Klageantrag) abzgl. zuerkannter 1.001.456,96 EUR = 1.143.335,49 EUR.
Zwar bestimmt sich gem. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers und damit grundsätzlich nicht nach der Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 2.12.2010 vorgenommene Beschränkung des Berufungsantrages ist hier jedoch unbeachtlich.
Nach einem Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen des BGH hat § 47 Abs. 1 GKG -seinerzeit § 14 Abs. GKG- nicht den Zweck, einem Rechtmittelkläger, der sein Rechtsmittel überhaupt nicht mehr durchführen will, zu einer Verringerung der Kostenlast zu verhelfen. Deshalb bleibt die Beschränkung der Berufungsanträge bei der Streitwertbestimmung außer Betracht, wenn der Antrag des Berufungsklägers offensichtlich nicht auf die Durchführung des Rechtsmittels gerichtet ist (BGHZ 70, 365; BGH NJW-RR 1998, 355; OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 643 f.; OLG Schleswig JurBüro 2004, 140 f.; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 47 GKG Rz. 4).
So liegt der Fall hier, da sich aufgrund eindeutiger objektiver Umstände feststellen lässt, dass das Rechtsmittel nach dem gestellten Antrag offensichtlich nicht durchgeführt werden sollte.
Bereits die krasse, willkürlich anmutende Einschränkung des Berufungsantrags gibt einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Klägerin kein vernünftiges sachliches Interesse daran hatte, das Rechtsmittel wenigstens in dem beschränkten Umfang durchzuführen. Obwohl das LG der Klägerin in dem angefochtenen Urteil die Klageforderung in Höhe des hier festgesetzten Streitwertes aberkannt hat, greift die Klägerin mit ihrem beschränkten Berufungsantrag aus der Vielzahl der in erster Instanz streitigen Einzelpositionen eine einzelne Position heraus, die im Vergleich zu den anderen ebenfalls aberkannten Positionen in wirtschaftlicher Hinsicht als völlig unbedeutend anzusehen ist. Dabei erscheint zudem die Begründung der Klägerin für die Fehlerhaftigkeit des landgerichtlichen Urteils eher vorgeschoben, zumal auch kein Grund ersichtlich ist, weshalb die Klägerin die in erster Instanz zumindest gleichermaßen streitigen und wirtschaftlich bedeutsameren Positionen, die das LG nicht anerkannt hat, mit ihrer Berufung nicht angreift.
Die Offenkundigkeit des mit der Berufung verfolgten Ziels, nämlich die Kostenlast zu minimieren, belegt ferner der Umstand, dass die Klägerin mit dem nur einen Tag nach der Berufungsbegründung gefertigten Schriftsatz vom 3.12.2010 die Berufung zurückgenommen und darin beantragt hat, den Streitwert auf 1.338 EUR festzusetzen, was der Senat als weiteres Indiz für den mit Berufung verfolgten Zweck der Kostenminimierung ansieht. Diesem Zweck dient § 47 Abs. 1 GKG jedoch nicht.
Nach alledem war der Streitwert, wie erkannt, festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 2660033 |
PA 2011, 98 |