Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung der markenrechtlichen Auskunfterteilung im Verfügungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Der markenrechtliche Auskunftanspruch ist nicht auf Fälle der Produktpiraterie beschränkt, sondern besteht bei allen Verletzungstatbeständen der §§ 14, 15, 17 MarkenG; im Verfahren der einstweiligen Verfügung gilt nichts anderes.
2. Die Anordnung der Auskunftserteilung im Verfügungsverfahren setzt regelmäßig die Anhörung des Antragsgegners voraus.”
Normenkette
MarkenG § 19
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 19.08.2003; Aktenzeichen 84 O 52/03) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 4. Kammer für Handelssachen des LG Köln – 84 O 52/03 – vom 19.8.2003 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, der Antragstellerin Auskunft über Namen und Anschriften des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer und über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren zu erteilen, die von ihm unter der Bezeichnung „U.-P.” im Internet angeboten worden sind, soweit es sich hierbei nicht um Produkte der Antragstellerin bzw. der Muttergesellschaft, der Firma A.O.T., gehandelt hat.
2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat der Antragsgegner zu tragen.
Gründe
Das als „Beschwerde” eingelegte Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gem. § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO als sofortige Beschwerde statthaft und als solche zulässig und begründet.
Die Antragstellerin hat die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 MarkenG für den Erlass einer auf Auskunftserteilung im oben tenorierten Umfang gerichteten einstweiligen Verfügung dargelegt und glaubhaft gemacht.
Gemäß § 19 Abs. 3 MarkenG kann die sich aus § 19 Abs. 1 MarkenG ergebende Verpflichtung zur Auskunftserteilung in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet werden. Das setzt im Rahmen des auf § 14 MarkenG gestützten Anspruches voraus, dass keine ernsthaften Zweifel an der Schutzfähigkeit der Marke, deren besserem Zeitrang sowie der Gefahr von Verwechslungen mit dem angegriffenen Zeichen bestehen (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 19 Rz. 46; Fezer, MarkenR, 3. Aufl., § 19 Rz. 19; Wüst in HK-MarkenR, § 19 Rz. 26; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 19 Rz. 36). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Wortmarke Pendrive ist zu Gunsten der Antragstellerin u.a. für Datenverarbeitungsgeräte und Computer eingetragen und daher schutzfähig. Sie weist eine Priorität zum 15.8.2001 auf und ist damit prioritätsälter als die von dem Antragsgegner am 6.6.2003 im Internet für U.-Speicher-Sticks verwendete Bezeichnung „U.-P.”. Es besteht auch Verwechslungsgefahr, weil bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft von Pendrive und Warenidentität die Ähnlichkeit der Bezeichnungen hoch ist. Der Bestandteil P. prägt das angegriffene Zeichen, weil der Verkehr die Abkürzung „U.” als beschreibend für U.-Speicher-Sticks ansehen und nur den Bestandteil „P.” als kennzeichnend auffassen wird, der indes mit der Marke der Antragstellerin übereinstimmt.
Neben dem Verfügungsanspruch besteht auch der Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Diese wird, wie der Senat bereits entschieden hat (OLG Köln WRP 2003,1008), wegen der weitreichenden Folgen der Vorschrift allerdings nicht in entspr. Anwendung des § 25 UWG vermutet (so auch Fezer, MarkenR, 3. Aufl., § 19 Rz. 17 f.; Eichmann, GRUR 1990,575 [586]; anders Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 19 Rz. 48; Wüst in HK-MarkenR, § 19 Rz. 28). Die Antragstellerin hat aber im einzelnen glaubhaft gemacht, dass der Erhalt der Auskünfte zur Verhinderung weiterer Verletzungsfälle dringlich ist.
Der Auffassung des LG, wonach § 19 Abs. 3 MarkenG nur die Fälle der Produktpiraterie erfasst, deren Voraussetzungen hier nicht glaubhaft gemacht seien, kann nicht beigetreten werden. Es trifft allerdings zu, dass die Regelung des § 25b Abs. 4 WZG, die später inhaltsgleich in § 19 Abs. 3 MarkenG übernommen worden ist, durch das Produktpirateriegesetz vom 7.3.1990 (BGBl. I, 422) in das damalige Warenzeichengesetz eingeführt worden ist. Das besagt jedoch nicht, dass die Vorschrift die Möglichkeit der Durchsetzung des Auskunftsanspruches im Wege der einstweiligen Verfügung auf die Fälle der Produktpiraterie beschränkt hätte. Schon der Wortlaut und die systematische Stellung der Regelung sowohl im Warenzeichengesetz als auch im Markengesetz widerlegen diese Auffassung. Es kommt hinzu, dass auch die amtliche Begründung (BT-Drucks. 11/4792, 30 ff.) diese ggü. dem Gesetzeswortlaut erhebliche Einschränkung nicht vorsieht. Danach (S. 31) macht „das Ausmaß der Bedrohung der Schutzrechte … es erforderlich, einen besonderen Auskunftsanspruch zu schaffen, der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbar sein muss.” Weiter heißt es (S. 32), der Auskunftsanspruch werde nur ...