Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 22.03.2016; Aktenzeichen 21 O 226/15)

 

Tenor

I. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat nach Beratung beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des LG Köln vom 22.03.2016 21 O 226/15 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die weiteren Voraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 2 - 4 ZPO vorliegen.

1. Es kann dahinstehen, ob der am 10.12.2014 erklärte Widerruf verfristet war. Die Klägerin hatte ihr Widerrufsrecht jedenfalls verwirkt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Widerrufsrecht des Verbrauchers verwirkt werden (BGH, Urteile vom 12.7.2016 - XI ZR 501/15, juris Rdn. 39, und - XI ZR 564/15, juris Rdn. 34). Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteile vom 12.7.2016 - XI ZR 501/15, juris Rdn. 40, und XI ZR 564/15, juris Rdn. 37; Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15, juris Rdn. 30), ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann (BGH, Urteil vom 11.10.2016 aaO). Gerade bei - wie hier - beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann, wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12.7.2016 - XI ZR 501/15 (juris Rdn. 41) näher dargelegt hat, das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags vorzeitig erfolgte und auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urteil vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15, juris Rdn. 30).

Nach den dargestellten Vorgaben sieht der Senat das sog. Zeitmoment in Anbetracht der Tatsache, dass der Darlehensvertrag am 29.07.2007 geschlossen wurde, die Klägerin also mehr als sieben Jahre verstreichen ließ, bevor sie den Widerruf erklärte, als erfüllt an. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob sie von dem trotz Fristablaufs tatsächlich - d.h. aus rechtlichen Gründen - fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis hatte.

Angesichts der vollständigen, beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag ist der Senat der Auffassung, dass auch das sog. Umstandsmoment erfüllt ist. Die Beklagte musste nach der im April 2014 erfolgten vollständigen Rückzahlung der Darlehensvaluta im Dezember 2014 nicht mehr mit einem Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung der Klägerin rechnen, sondern durfte auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen. Das gilt hier in besonderem Maße deshalb, weil die Beendigung des Darlehensvertrages vorzeitig erfolgte und auf den Wunsch der Klägerin, die mit dem Darlehen finanzierte Immobilie zu veräußern, zurückging.

2. Auch die weiteren Voraussetzungen, unter denen die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen ist, liegen vor.

Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; es handelt sich vielmehr um einen Streit, dessen Tragweite sich im konkreten Einzelfall erschöpft. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

II. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu vorstehenden Hinweisen binnen drei Wochen ab Zustellung des Beschlusses Stellung zu nehmen. Die Frist kann nur unter den Voraussetzungen des § 224 Abs. 2 ZPO oder mit Zustimmung des Gegners verlängert werden. Auf die Möglichkeit einer kostensparenden Rücknahme der Berufung (KV-Nr. 1220, 1222 zu § 3 Abs. 2 GKG) wird hingewiesen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI10327078

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?