Leitsatz (amtlich)
Der Erlass eines Haftbefehls schließt die Erteilung sicheren Geleits nicht aus. Eine solche Entscheidung hätte zur Folge, dass der Haftbefehl nicht vollstreckt werden könnte. Die Strafkammer hat ein weites Ermessen in der Beurteilung der Frage, wie die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens gewährleistet werden kann.
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I.
Durch den angefochtenen Beschluß, auf den wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht es abgelehnt, dem in den Niederlanden wohnenden Angeklagten sicheres Geleit für die Dauer der Hauptverhandlung zu erteilen. Der dagegen am 21.01.2007 erhobenen Beschwerde half die Strafkammer mit Beschluss vom 24.01.2007 nicht ab. Nachdem der Angeklagte am 23.01.2007, dem ersten Verhandlungstag ausgeblieben war, erließ das Landgericht am 25.01.2007 einen Untersuchungshaftbefehl wegen Fluchtgefahr.
II.
1.
Die Beschwerde war bei ihrer Einlegung unzulässig, weil es ihr am Rechtsschutzbedürfnis fehlte. Der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt durch die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung sicheren Geleits nicht beschwert, weil es an einem Haftbefehl, von dessen Vollziehung ihn das sichere Geleit nach § 295 Abs. 2 StPO hätte befreien können, noch fehlte und der Angeklagte bei freiwilligem Erscheinen mit dem Erlaß eines Haftbefehls nicht zu rechnen hatte. Bei einer auf Freiheitsstrafe lautenden Verurteilung wäre ein etwa erteiltes sicheres Geleit nach § 295 Abs. 3 StPO von selbst erloschen. Bei jedem anderen Verfahrensausgang wäre der mit der Beschwerde verfolgte Antrag erst recht ins Leere gegangen.
2.
Durch den Erlaß des Haftbefehls vom 25.01.2007 ist der Angeklagte allerdings nunmehr durch die Ablehnung seines Antrags beschwert und sein Rechtsmittel damit jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Beschwerdegericht zulässig. Denn das für das vorliegende Strafverfahren uneingeschränkt beantragte sichere Geleit würde den Angeklagten im Falle der Erteilung nunmehr von der Untersuchungshaft gemäß dem von der Strafkammer erlassenen Haftbefehl nach § 295 Abs. 2 StPO befreien.
3.
Der Senat stimmt aus diesen Gründen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht zu, die die Beschwerde aufgrund des Erlasses des Haftbefehls als prozessual überholt ansieht. Denn der Erlaß eines Haftbefehls schließt nach ganz einhelliger Auffassung die Erteilung sicheren Geleits nicht aus, so dass verfahrensrechtlich trotz des von der Strafkammer erlassenen Haftbefehls noch Raum für die Erteilung sicheren Geleits bleibt. Eine solche Entscheidung hätte - wie bereits ausgeführt - lediglich zur Folge, dass ein Haftbefehl nicht vollstreckt werden dürfte (vgl KK-Engelhardt, StPO, 5.Aufl., § 295 Randnr 3; Meyer-Goßner, StPO, 49.A., § 295 Randnr 3; LR-Walter Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 295 Randnr.5,13).
4.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Die Entscheidung über die Erteilung sicheren Geleits steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Ein Rechtsanspruch des Beschuldigten auf sicheres Geleit besteht nicht (vgl BGH NStZ 91,501; OLG Düsseldorf NStZ-RR 99,245; LR-Walter Gollwitzer aaO, Randnr 13; KK-Engelhardt aa0, Randnr. 8).
Das sichere Geleit dient der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege. Es soll vor allem einen Weg zur Durchführung eines Strafverfahrens eröffnen, das andernfalls wegen der Abwesenheit des Beschuldigte nicht zu Ende gebracht werden könnte (vgl LR-Walter Gollwitzer aaO, Randnr 1; KK-Engelhardt aaO Randnr.7).
Bei der Frage, wie das staatliche Verfolgungsinteresse durchzusetzen ist, ist der Strafkammer ein weites Ermessen eingeräumt.
Ob die Erteilung sicheren Geleits hier zur schnelleren Erledigung des Verfahrens hätte beitragen können, ist aus den oben zu II. 1. angeführten Gründen bereits zweifelhaft.
Jedenfalls kann aber die Strafkammer die Anwesenheit des Angeklagten auch dadurch erreichen, dass sie auf der Grundlage des Untersuchungshaftbefehls vom 25.01.2007 seine Auslieferung aus den Niederlanden nach Deutschland betreibt. Das niederländische Recht erlaubt die Auslieferung eigener Staatsangehöriger zur Strafverfolgung (vgl Senat 17.08.2005 - 2 Ws 373/05 -.) Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich die Strafkammer für diesen Weg entschieden hat. Denn das Vertrauen auf ein freiwilliges Erscheinen des Angeklagten ist angesichts seines Ausbleibens am 1. Verhandlungstag nicht (mehr) gerechtfertigt.
Würde dem Beschwerdeführer im jetzigen Verfahrensstadium sicheres Geleit erteilt, würde damit der Möglichkeit der Auslieferung die Grundlage entzogen und damit zugleich die Durchführung des Strafverfahrens wesentlich erschwert.
Berechtigte Belange des Angeklagten, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2579037 |
NStZ 2008, 135 |
NStZ-RR 2007, 243 |
StraFo 2007, 294 |