Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Entziehung der elterlichen Sorge (Nachweisfragen)
Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz, dass die Eltern und deren sozio-ökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes gehören (vgl. BGH NJW 2010, 2333 - 2336 unter Zitierung von Staudinger/Coester, BGB, Bearbeitung 2004, § 1666 Rz. 81) und allein ungünstige sozio-ökonomische Verhältnisse eine (teilweise) Sorgerechtsentziehung nicht zu begründen vermögen, weil es nicht zum Wächteramt des Staates zählt, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen (vgl. BVerfGE 34, 165, 184; 60, 79, 94), findet dort seine Grenzen, wo die bisherige geistig-seelische und körperliche Entwicklung der Kinder den zwingenden Schluss zulassen, dass allein das Belassen der Kinder im Haushalt der Eltern zu einer fortdauernden Kindeswohlgefährdung führt, auch wenn konkrete Misshandlungs- oder Missbrauchsfälle nicht nachweisbar sind.
Normenkette
GG Art. 6; BGB §§ 1666, 1666a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Beschwerde der Kindeseltern gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 15.12.2010 - 401 F 178/09 -, mit welchem den Kindeseltern die elterliche Sorge für die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmung, Beantragung von Hilfen für Erziehung sowie Gesundheitsfürsorge entzogen und auf das Jugendamt der Stadt C. als Ergänzungspfleger übertragen worden ist, wird auf deren Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die elterliche Sorge für die Kinder T. und K. auch für den Teilbereich "schulische Angelegenheiten" entzogen und auf das Jugendamt C. als Ergänzungspfleger übertragen wird.
2. Der Antrag der Kindeseltern auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die gem. §§ 58, 59, 61,63, 64, 111 Nr. 1, 151 Nr. 2 FamFG zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 15.12.2010 - 401 F 178/09 -ist unbegründet. Zudem war auf Anregung des Jugendamtes den Kindeseltern für ihre beiden schulpflichtigen Kinder T. und K. auch das Sorgerecht für den Teilbereich "schulische Angelegenheiten" zu entziehen, da aufgrund des bisherigen Verhaltens begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass die Kindeseltern nicht in dem gebotenen Maße zur Kooperation mit dem Jugendamt in Schulfragen bereit sind.
Zu Recht hat das Familiengericht den Kindeseltern in dem Sorgerechtsbeschluss gem. §§ 1666, 1666a BGB, 151 Nr. 1, FamFG die elterliche Sorge für die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmung, Beantragung von Hilfen für Erziehung sowie Gesundheitsfürsorge entzogen und auf das Jugendamt der Stadt C. als Ergänzungspfleger übertragen. Zur Begründung verweist der Senat auf den Inhalt seines Beschlusses vom 29.12.2010 - 4 UFH 4/10 -, mit welchem der Senat den Antrag der Kindeseltern auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses des AG - Familiengericht - Bonn vom 15.12.2010 - 401 F 178/09 - bis zur Entscheidung über ihre Beschwerde zurückgewiesen hat. Die mündliche Verhandlung nach Anhörung der Kinder T. und K. und der Kindeseltern durch den Senat hat keine neuen Erkenntnisse gebracht, die eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage rechtfertigen könnte. Vielmehr ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das nach umfangreicher erstinstanzlicher Beweisaufnahme vom Familiengericht angenommene Beweisergebnis zutreffend ist. Somit ergibt sich auch nach Auffassung des Senats, dass aufgrund der erheblichen Defizite der Kindeseltern in ihrer Erziehungsfähigkeit und der hierdurch bereits besorgniserregend aufgetretenen Beeinträchtigungen der betroffenen Kinder in ihrer seelisch-geistigen Entwicklung einer vorhandenen und zu besorgenden fortdauernden Kindeswohlgefährdung nicht anders begegnet werden kann als durch Entzug der vorgenannten Teilbereiche der elterlichen Sorge sowie des Weiteren Teilbereichs der schulischen Angelegenheiten. Der bei einem (teilweisen) Sorgerechtsentzug zu wahrende Grundsatz der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bleibt gewahrt, da den Kindeseltern nur die unbedingt notwendigen Bereiche der elterlichen Sorge entzogen worden sind und es im Übrigen bei ihrer Sorgerechtsverantwortlichkeit verbleibt. So erhalten auch die Kindeseltern die Möglichkeit, sich in der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt zu bewähren und die Voraussetzungen für eine Rückübertragung der elterlichen Sorge durch verantwortungsvolles Elternverhalten zu schaffen.
Nach § 1666 Abs. 1 BGB sind im Falle einer Kindeswohlgefährdung die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Gemäß § 1666a Abs. 1 BGB dürfen die getroffenen Maßnahmen nicht außer Verhältnis zum Eingriff in das Elternrecht stehen. Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur insoweit zulässig, als der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffen...