Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde. Frist. Beginn. Zustellung

 

Leitsatz (amtlich)

Beginn der Rechtsmittelfrist bei unvollständigen Entscheidungen Die dem Beschwerten zugestellte Ausfertigung der Entscheidung muß, damit die Rechtsmittelfrist zu laufen beginnen kann, die Urschrift wortgetreu und vollständig wiedergeben, wobei kleine Fehler nicht schaden, wenn der Zustellungsempfänger aus der Ausfertigung den Umfang seiner Beschwer ohne Einschränkung erkennen kann. Letzteres ist der Fall, wenn der zugestellten Ausfertigung versehentlich eine Seite des Tatbestandes der Entscheidung nicht beigefügt wurde, auf der sich – aus dem Gesamtzusammenhang erkennbar – nur die Wiedergabe von Rechtsansichten der Partei befand.

 

Normenkette

WEG § 45 I; FGG § 22 I, § 29; ZPO § 319

 

Gründe

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthafte sofortige weitere Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht gemäß §§ 22 Abs. 1, 29 FGG fristgerecht binnen zwei Wochen ab Zustellung des angefochtenen Beschlusses eingelegt worden ist.

Die Frist hat mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Antragsgegnerinnen am 14.03.1994 (Bl. 735 d.A.) zu laufen begonnen. Die sofortige weitere Beschwerde ist am 22.04.1994 (Bl. 737 d.A.) und damit nach Fristablauf bei Gericht eingegangen.

Die Zustellung des Beschlusses ist wirksam erfolgt.

Für die Wirksamkeit der Zustellung als der Voraussetzung des Beginns der Rechtsmittelfrist kommt es entscheidend auf die äußere Form und den Inhalt der zur Zustellung verwendeten Ausfertigung an (vgl. BGH VersR 1980, 771, 772). Die Ausfertigung muß die Urschrift wortgetreu und vollständig wiedergeben, wobei kleine Fehler nicht schaden, wenn der Zustellungsempfänger aus der Ausfertigung den Inhalt der Urschrift und insbesondere den Umfang seiner Beschwer erkennen kann (BGH, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall steht der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen, daß in der den Antragsgegnerinnen zugestellten Ausfertigung die Seite 18 des Beschlusses fehlte. Seite 18 (vgl. Bl. 720 a d.A.) enthält die auf Seite 13 des Beschlusses begonnene Wiedergabe des Vorbringens der Antragsgegnerinnen mit Beweisangeboten im Rahmen der Darstellung des Streitstoffs, die sich auch auf Seite 19 ff. des Beschlusses fortsetzt. Für die mit dem Streitstoff vertrauten Antragsgegnerinnen war daher ohne Mühe verständlich, daß auf Seite 18 des Beschlusses der Inhalt der von ihrer Verfahrensbevollmächtigten verfaßten Schriftsätze referiert worden ist. Das Landgericht ist auch in der Begründung seiner Entscheidung – für die Antragsgegnerinnen ohne weiteres erkennbar – auf das tatsächliche Vorbringen der Antragsgegnerinnen, soweit es auf Seite 18 des Beschlusses wiedergegeben ist, eingegangen und hat die Anträge zu 7 bis 9 der von den Antragsgegnerinnen erhobenen „Hilfswiderklage”, auf die sich der Vortrag bezieht, beschieden.

Aus der zugestellten Beschlußausfertigung waren also unzweifelhaft nicht nur die Beschwer der Antragsgegnerinnen, sondern selbst für einen mit dem Streitstoff nicht Vertrauten auch die tragenden Entscheidungsgründe zu entnehmen.

Daher ist der vorliegende Fall nicht anders zu behandeln als derjenige der Berichtigung eines Urteils wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO, in dem regelmäßig die Rechtsmittelfrist durch die Zustellung des nicht berichtigten Urteils in Lauf gesetzt wird (vgl. BGH NJW 1991, 1834). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn nicht die Urschrift des Urteils eine offenbare Unrichtigkeit enthält, sondern die den Parteien erteilte Ausfertigung richtigzustellen ist (vgl. BGH NJW 1977, 297).

Entsprechend ist die eine offenbare Auslassung enthaltende Beschlußausfertigung an die Antragsgegnerinnen am 14.03.1994 wirksam zugestellt worden.

Die sofortige weitere Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht der Billigkeit, die Antragsgegnerinnen mit den durch ihr unzulässiges Rechtsmittel entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu belasten.

Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren: 40.000,00 DM

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1500276

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