Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllungseinwand. Zwangsvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist im Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn unstreitig eine auf Erfüllung gerichtete Handlung vom Schuldner vorgenommen worden ist und nur noch darüber gestritten wird, ob die Handlung den nach dem Inhalt des Vollstreckungstitels zu stellenden Anforderungen genügt.
Normenkette
ZPO §§ 887-888
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 1 O 441/90) |
Tenor
1. Dem Gläubiger wird wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Unter Zurückverweisung der Sache wird dem Landgericht die erneute Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, nach Maßgabe der nachstehenden Beschlußgründe übertragen.
Gründe
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Hanggrundstücke in der Gemarkung H.. Der Gläubiger hat vom Schuldner im Wege der Klage vor dem Landgericht Maßnahmen gefordert, durch die vermieden wird, daß von dem höher gelegenen Grundstück des Schuldners abfließendes Wasser auf das Grundstück des Gläubigers gelangt. Zur Beendigung des Rechtsstreits haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Schuldner verpflichtet hat,
„das von den oben liegenden Grundstücken durch das vorhandene Rohr bzw. die vorhandenen Rohre auf sein Grundstück zugeleitete Wasser auf seinem Grundstück durch Erstellung einer Verrieselungsanlage nach Absprache mit der zuständigen Behörde bzw. einem Fachingenieur ordnungsgemäß zu verrieseln”.
Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob der Schuldner die von ihm übernommene Verpflichtung inzwischen erfüllt hat. Den Antrag des Gläubigers, ihn zur Ersatzvornahme zu ermächtigen und den Schuldnern zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, hat das Landgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Die sofortige Beschwerde ist nach § 793 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Wegen der Versäumung der zweiwöchigen Frist des § 577 Abs. 2 ZPO ist dem Gläubiger antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, nachdem er glaubhaft gemacht hat, daß der verspätete Eingang der Beschwerdeschrift auf einer von ihm und seinen Verfahrensbevollmächtigten nicht zu vertretenden Verzögerung der Beförderung durch die Post beruht.
In sachlicher Hinsicht folgt der Senat dem Landgericht, soweit es den vom Schuldner geltend gemachten Erfüllungseinwand berücksichtigt und ihn damit nicht auf die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO verweist. Einer grundsätzlichen Entscheidung der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage, wie der Erfüllungseinwand im Verfahren nach § 887 ZPO – das gleiche gilt für § 888 ZPO – zu behandeln ist (zum Meinungsstand vgl. Bischoff, NJW 1988, 1957 sowie Schuschke, ZPO, § 887 Rn. 15), bedarf es allerdings nicht. Auch von den Vertretern der Auffassung, die eine Berücksichtigung des Erfüllungseinwandes ablehnt, wird eine Ausnahme gemacht, wenn die vom Schuldner für die Erfüllung vorgebrachten Tatsachen vom Gläubiger nicht bestritten werden (vgl. OLG Köln, 2. Zivilsenat, NJW-RR 1988, 1212; 20. Zivilsenat, NJW-RR 1989, 188, 189). Entsprechendes muß nach Auffassung des Senats für den hier vorliegenden Fall gelten, daß unstreitig eine Erfüllungshandlung vorgenommen worden ist und nur noch darüber gestritten wird, ob die Handlung den nach dem Inhalt des Vollstreckungstitels zu stellenden Anforderungen genügt. Dann sprechen namentlich Erwägungen der Prozeßokonomie dafür, die erforderliche Aufklärung im Vollstreckungsverfahren durchzuführen und sie nicht einem weiteren, ohnehin bei demselben Gericht anhängig zu machenden Rechtsstreit zu überlassen. Schutzwürdige Belange des Gläubigers werden dadurch nicht verletzt. Die Beweislast obliegt im Streit um die Erfüllung unabhängig von den Parteirollen stets dem Schuldner (vgl. Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 20. Aufl., § 887 Rn 26). Der Gläubiger erscheint auch nicht deshalb benachteiligt, weil die Vollstreckung durch die Nachprüfung des Erfüllungseinwandes aufgeschoben wird. Diesen Aufschub kann der Schuldner auch im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage mit einem Einstellungsantrag nach § 769 ZPO erreichen. Einem solchen Antrag wird, wenn nur noch die Übereinstimmung der vorgenommenen mit der nach dem Titel geschuldeten Handlung zu klären ist, regelmäßig stattzugeben sein. Im Ergebnis erfährt der Gläubiger damit keine ins Gewicht fallende Schlechterstellung. Demgegenüber hat der Schuldner ein evidentes und anerkennenswertes Interesse daran, daß das Prozeßgericht die von ihm vorgenommene Handlung auf ihre Erfüllungswirkung hin überprüft, bevor es den Gläubiger zu einer u.U. unsinnigen und kostspieligen Ersatzvornahme ermächtigt.
Durch die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme ist aber die vom Schuldner behauptete Erfüllung noch nicht bewiesen. ...