Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Verkehrsanwalts auch in einfach gelagerten Scheidungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Eine Entfernung von knapp 400 km zwischen dem Wohnort einer Partei und der Kanzlei eines am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts rechtfertigt auch in einfach gelagerten Scheidungsverfahren die Beiordnung eines Verkehrsanwalts, § 121 Abs. 3 ZPO.
Normenkette
ZPO § 121
Verfahrensgang
AG Bergisch Gladbach (Beschluss vom 29.07.2007; Aktenzeichen 27 F 170/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - FamG - Bergisch Gladbach vom 29.7.2007 - 27 F 170/07 - dahin abgeändert, dass die im Rahmen der Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ausgesprochene Beschränkung "zu den Bedingungen eines hier zugelassenen Anwalts" entfällt.
Gründe
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute, zwischen denen das vorliegende Scheidungsverfahren anhängig ist. Durch den in der Beschlussformel näher bezeichneten Beschluss hat das AG - FamG - Bergisch Gladbach dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N in V zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts bewilligt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der dieser eine Aufhebung der in der Beiordnung ausgesprochenen Einschränkung erreichen will. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die zuständige Berichterstatterin hat die Sache dem Senat übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Einschränkung ist unzulässig. Dabei kann der Antragsgegner sich allerdings nicht auf die zu den Akten gereichte Entscheidung des OLG Oldenburg vom 6.1.2006 - 3 UF 45/05 - berufen, da der ihm beigeordnete Rechtsanwalt nicht bei dem AG Bergisch Gladbach zugelassen ist. Die angeordnete Einschränkung ist vorliegend jedoch deshalb unzulässig, weil durch die Beiordnung eines nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts weitere Kosten nicht entstehen. Wäre die zusätzlich Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO gerechtfertigt, darf die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts ohne Einschränkung erfolgen, wenn dessen Gesamtkosten (einschließlich Reisekosten)nicht höher liegen als die Kosten eines Anwalts am Gerichtsort plus eines Verkehrsanwalts am Sitz der Partei. vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl. 2005, Rz. 570 m.w.N.. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Besondere Umstände i.S.v. § 121 Abs. 4 ZPO, die die Beiordnung eines Verkehrsanwalts erfordern, liegen regelmäßig dann vor, wenn die Beiziehung eines Verkehrsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO "notwendig" ist, vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rz. 578 m.w.N.. Dies ist dann der Fall, wenn der auswärts wohnenden Partei wegen weiter Entfernung zur Kanzlei eines am Prozessgericht ansässigen Prozessbevollmächtigten ein zur Verfolgung ihrer Interessen notwendiges persönliches Beratungsgespräch nicht zumutbar ist und auch eine vermögende Partei die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts aufgebracht hätte. So liegt der Fall hier. Auch in einfach gelagerten Scheidungsfällen hält der Senat das persönliche Beratungsgespräch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen der antragstellenden Partei für erforderlich, vgl. Senatsbeschluss vom 18.1.2007 - 14 WF 284/06 - und insoweit auch OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1298 ff.; angesichts seines knapp 400 km entfernt gelegenen Wohnorts in F erscheint dem Senat ein persönliches Gespräch des Antragsgegners mit einem in Bergisch Gladbach ansässigen Rechtsanwalt allerdings nicht mehr zumutbar. Da die Kosten für einen Verkehrsanwalts vorliegend annähernd gleich hoch sind wie die Reisekosten des beigeordneten auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten bestand für dessen eingeschränkte Beiordnung kein sachlicher Grund. Nach RVG-VV 3400 erhält der Rechtsanwalt, dessen Auftrag sich auf die Führung des Verkehrs der Partei mit dem Verfahrensbevollmächtigten beschränkt, eine Verfahrensgebühr in Höhe der dem Verfahrensbevollmächtigten zustehenden Verfahrensgebühr, höchstens 1,0. Ausgehend von einem Streitwert von jedenfalls 3.000 EUR würden die Gebühren für einen Verkehrsanwalt einschließlich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer gem. § 49 RVG insgesamt einen Betrag von rund 250 EUR ausmachen. Die Reisekosten belaufen sich demgegenüber auf rund 144 EUR (Hin- und Rückfahrkarte der Deutschen Bahn AG für die Strecke V-Bergisch Gladbach) und übersteigen damit die Kosten für einen Verkehrsanwalt auch unter Berücksichtigung von Tage- und Abwesenheitsgeld allenfalls unwesentlich. Auch im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist es deswegen zu billigen, dass sich der Antragsgegner ohne gravierende Mehrkosten (§ 121 Abs. 3 ZPO) von einem nicht ortsansässigen Verfahrensbevollmächtigen vertreten lässt.
Fundstellen
Haufe-Index 1813307 |
HRA 2007, 12 |
OLGR-Mitte 2008, 47 |