Leitsatz (amtlich)

Jedenfalls für ab dem 1.1.2009 erhobene Klagen des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach § 215 VVG 2008 und nicht mehr nach § 48 VVG a.F.

 

Normenkette

VVG § 215

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 26.03.2009; Aktenzeichen 20 O 50/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 14.4.2009 wird der Beschluss der 20. Zivilkammer des LG Köln - AZ 20 O 50/09 - vom 26.3.2009 i.d.F. des Nichtabhilfebeschlusses vom 4.5.2009 aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Rechte aus einem Versicherungsvertrag geltend, nachdem die in B. ansässige Vertreterin der Beklagten, die C. H. T. GmbH, mit Schreiben vom 21.10.2008 (Anlage K 3, Bl. 30 f. AH) und vom 18.11.2008 (Anlage K6, Bl. 38 AH), Leistungen abgelehnt hat. In der Klage vom 13.1.2009 hat sich die Klägerin hinsichtlich der Zuständigkeit auf § 215 VVG berufen. Mit Bestimmung eines frühen 1. Termins hat das LG auf Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit hingewiesen und die Auffassung geäußert, § 215 Abs. 1 VVG n.F. (Gerichtsstand am Sitz des Versicherungsnehmers) finde gem. Art. 1 Abs. 2 EGVVG auf Altverträge keine Anwendung. Gleichzeitig ist die Anfrage erfolgt, ob Verweisung, ggf. an welches Gericht, beantragt werde. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 9.3.2009 Verweisung an das LG Aachen beantragt. Mit Verfügung vom 13.3.2009 - ausgeführt am 17.3.2009 - hat das LG Köln die Zuleitung des Antrags an die Beklagte mit einer einwöchigen Stellungnahmefrist veranlasst. Eine förmliche Zustellung ist nicht erfolgt, die Beklagte hat mitgeteilt, der Antrag sei ihr bzw. ihrer Vertreterin am 19.3.2009 zugegangen. Die Klageerwiderungsfrist ist antragsgemäß bis zum 14.4.2009 verlängert worden. Am 26.3.2009 ist Verweisungsbeschluss ohne Begründung ergangen, der den Beteiligten formlos mitgeteilt wurde. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 14.4.2009 hat das LG mit Nichtabhilfebeschluss vom 4.5.2009 die Verweisung an das LG Aachen begründet und dabei auf die mit Terminsverfügung mitgeteilten Hinweise sowie auf § 17 ZPO verwiesen.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet.

1. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 567 ZPO statthaft. Zwar sieht § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Unanfechtbarkeit von Verweisungsschlüssen vor. Entgegen dieser Regelung bejaht jedoch die ganz herrschende Meinung die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde in Fällen fehlender Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen (KG NJW-RR 1997, 250 ff.; Musielak- Foerste, ZPO, 6. Aufl., § 281 Rz. 11; Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rz. 12; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 67. Aufl., § 281 Rz. 46; MüKo- Prütting, ZPO, 2. Aufl., § 281 Rz. 41; Fischer, NJW 1993, 2417, 2420 - jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen, die die vom BGH zur Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen entwickelten Grundsätze anwenden; a.A.: KG MDR 1988, 417; OLG Köln, 17. OLG Köln, VersR 1992, 1111; OLG Köln, 13. OLG Köln, OLGReport Köln 2004, 137; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 281 Rz. 14).

Der BGH (NJW 1978, 1163 f.; NJW 1984, 740; NJW 1988, 1794) hat entschieden, der Grundsatz der Prozessökonomie gebiete es, in Fällen von Willkür oder Verstößen gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs das Fehlen der Bindungswirkung anzuordnen.

Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an. Aus prozessökonomischen Gründen ist in Fällen fehlender Bindungswirkung nicht nur das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren gem. § 36 Nr. 6 ZPO zuzulassen (so OLG Köln, 13. OLG Köln, OLGReport Köln 2004, 137), sondern auch die sofortige Beschwerde gem. § 567 ZPO. Die Verletzung rechtlichen Gehörs kann nur dann effektiv gerügt werden, wenn dem Verletzten ein eigenes Anfechtungsrecht zugebilligt wird und die Überprüfung nicht davon abhängig ist, dass die Gerichte ein Gerichtsstandsbestimmungsverfahren gem. § 36 Nr. 6 ZPO einleiten.

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt. Zwar ist der Verweisungsantrag vom 9.3.2009 der Beklagten formlos zugeleitet worden. Diese hat ihn am 19.3.2009 erhalten. Jedoch war die einwöchige Stellungnahmefrist am 26.3.2009 noch nicht abgelaufen, sondern erst am Folgetag.

2. Die im Übrigen zulässige Beschwerde ist auch begründet, die Gehörsverletzung ist kausal für die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses geworden. Eine örtliche Zuständigkeit des LG AACHEN ist nicht ersichtlich, insbesondere nicht nach § 17 ZPO. Denn die Klägerin greift den Vortrag der Beklagten, sie habe nicht dort, sondern in München ihren Sitz, nicht weiter an, sondern hat einem entsprechenden Rubrumsberichtigungsantrag der Beklagten zugestimmt. Einen Verweisungsantrag zum LG München hat die Klägerin nicht gestellt, vielmehr ausdrücklich einer Verweisung widersprochen. Der Verweisungsbeschluss war demnach aufzuheben.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das LG Köln örtlich zuständig sein dürfte.

Der seit dem 1.1.2008 geltende § 215 VVG sieht vor, dass für Klagen aus dem Versicherungsvertrag auch das Gericht zuständig ist, in ...

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