Leitsatz (amtlich)

Das Einverständnis zu einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen kann auch konkludent erfolgen.

Zur Darlegung und Beweisführung bei einer Klage auf Abrechnung und Erteilung eines Buchauszugs, zur Frage der rechtsmissbräuchliche Geltendmachung sowie zur Erfüllung (sog. Fehlanzeige).

Eigene (unmittelbare) und ausgleichspflichtige (mittelbare) erhebliche Vorteile i.S.d. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB trotz der Übergabe des Geschäftsbetriebs nebst Kunden.

 

Normenkette

HGB §§ 87c, 89b; ZPO §§ 348-349

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 03.02.2015; Aktenzeichen 41 O 90/12)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Aachen vom 3.2.2015 (41 O 90/12) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Denn es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Das LG hat der Klage verfahrensfehlerfrei und in der Sache zu Recht in dem mit der Berufung der Beklagten angegriffenen Umfang stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Provisionsabrechnung und Erteilung eines Buchauszugs aus § 87c Abs. 1, Abs. 2 HGB, auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs in der erstinstanzlich zugesprochenen Höhe aus § 89b HGB sowie auf Erstattung verauslagter Reisekosten aus der zwischen den Parteien insoweit getroffenen Vereinbarung. Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden. Das Berufungsvorbringen führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

1. Dass der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen allein entschieden hat, ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden und führt jedenfalls deshalb nicht zu einer (bislang auch nicht - jedenfalls nicht ausdrücklich - beantragten) Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG.

Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass kein Fall des § 349 Abs. 2 HGB vorliegt und die Parteien auch nicht ausdrücklich einer Entscheidung durch den Vorsitzenden gemäß § 348 Abs. 3 ZPO zugestimmt haben, weil dessen Anfrage vom 20.12.2012 unbeantwortet geblieben ist. Allerdings kann eine solche Ermächtigungserklärung auch konkludent abgegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.6.1998 - 2 BvL 2/97, in: BVerfGE 98, 145 ff. m.w.N.) und ist vorliegend - ebenso wie in dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Fall - (spätestens) in der Stellung der Sachanträge nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem Vorsitzenden am 16.12.2014 zum Ausdruck gebracht worden, nachdem bereits am 20.8.2013 vor dem Vorsitzenden verhandelt worden war (vgl. auch § 295 ZPO), dieser (allein) einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hatte und am Schluss der Sitzung vom 16.12.2014 ein Verkündungstermin bestimmt wurde, ohne dass gegen die damit offensichtlich beabsichtigte Entscheidung durch den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen von den Parteien oder ihren Prozessbevollmächtigten irgendwelche Einwände erhoben wurden.

2. Das LG hat die Beklagte auch in der Sache zu Recht zur Erteilung einer Provisionsabrechnung und eines Buchauszugs für den Zeitraum nach dem 30.6.2009 bis 31.12.2009 verurteilt. Die Klägerin hat die Voraussetzungen für diese Ansprüche hinreichend dargelegt, während die dagegen gerichteten Einwendungen der Beklagten nicht durchgreifen.

Bei einer Klage auf Abrechnung und Buchauszug genügen die Darlegung und Beweisführung des bestehenden Vertretervertrags und der konkret aufgezeigten Möglichkeit zumindest eines entstandenen Zahlungsanspruchs durch Vermittlung von Kunden oder Abschluss von Kundengeschäften (vgl. Löwisch, in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 3. Auflage 2014, § 87c HGB Rn 86 m.w.N.). Diesen - geringen - Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin gerecht. Dass auch nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zum 30.6.2009 noch Provisionsansprüche der Klägerin entstanden sein können, weil von ihr vermittelte Geschäfte i.S.d. § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB erst später ausgeführt wurden (sog. Überhangprovisionen), erscheint selbst nach dem Vorbringen der Beklagten nicht ausgeschlossen und reicht aus, um ein...

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