Entscheidungsstichwort (Thema)
Privatgutachterkosten, Deckungsprozess
Leitsatz (amtlich)
Holt die Versicherung vorprozessual wegen des Verdachts eines gestellten Unfallsein Privatgutachten ein, sind die dafür angefallenen Kosten im Hinblick auf den Deckungsprozess nicht als prozessbezogen anzusehen und damit nicht erstattungsfähig.
Normenkette
ZPO § 91
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 05.01.2012; Aktenzeichen 9 O 562/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim LG Aachen vom 5.1.2012 - 9 O 562/10 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf Grund des Beschlusses des LG Aachen vom 29.8.2011 sind von dem Kläger an die Beklagte 1.135,35 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 30.9.2011 zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 1.433 EUR
Gründe
Der Kläger, Versicherungsnehmer der Beklagten, war in einen Verkehrsunfall verwickelt, an dem insgesamt drei Fahrzeuge beteiligt waren. Vor dem AG wurden die Parteien des vorliegenden Rechtsstreites als Gesamtschuldner von den anderen beiden Kfz-Eigentümern im Klagewege in Anspruch genommen. Dort bestellte sich der Prozessbevollmächtigte der hiesigen Beklagten nur für diese und trat dem dortigen Beklagten zu 2), dem hiesigen Kläger, lediglich als Streithelferin bei, da sie den Verdacht hatte, es handele sich um einen gestellten Verkehrsunfall. Schon vorprozessual hatte die Beklagte deshalb einen Privat-Gutachter eingeschaltet. Dafür sind Kosten i.H.v. 1.433 EUR angefallen.
Im vorliegenden Rechtsstreit nahm der Kläger als Versicherungsnehmer die beklagte Versicherung darauf in Anspruch, ihm wegen des Unfallereignisses Deckungsschutz aus dem Versicherungsvertrag zu gewähren. Im Rahmen ihrer Rechtsverteidigung führte die Beklagte das Privat-Gutachten auch in den vorliegenden Rechtsstreit ein. Nachdem das LG im Termin darauf hingewiesen hatte, dass die Beklagte ihren Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag im Rechtsstreit vor dem AG dadurch ausreichend nachgekommen sei, dass sie dort Klageabweisung beantragt und damit zum Ausdruck gebracht habe, die Ansprüche der beiden anderen Unfallbeteiligten abwehren zu wollen, nahm der Kläger seine Klage zurück. Das LG legte ihm antragsgemäß die Kosten des Rechtsstreits auf.
Zur Festsetzung angemeldet hat die Beklagte u.a. die Kosten, die sie für die Einholung des Privat-Gutachtens aufgewendet hat. Hierzu vertritt sie die Ansicht, diese seien prozessbezogen.
Dem tritt der Kläger mit dem Hinweis darauf entgegen, dass das vorgerichtliche Privat-Gutachten nicht wegen des hier in Rede stehenden Rechtsstreites von der Beklagten eingeholt worden sei, sondern von dem Hintergrund, nicht in die Regulierung eintreten zu müssen. Im vorliegenden Rechtsstreit habe es demgemäß auch gar keine Rolle gespielt.
Die Rechtspflegerin hat die Kostenfestsetzung antragsgemäß durchgeführt, dem hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Klägers nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst vollen Erfolg.
Die Beklagte kann die Kosten für die Einholung des vorgerichtlichen Privat-Gutachtens nicht erstattet verlangen. Es handelt sich im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit weder um zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten i.S.d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO noch können sie als prozessbezogen bezeichnet werden.
1. Nach der Rechtsprechung des BGH, die auch der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht, können die Kosten für ein vorprozessual erstattetes Privatgutachten nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO angesehen werden (vgl. BGHZ 153, 235; BGH VersR 2006, 1236; NJW 2008, 1597). Insoweit genügt es nicht, wenn ein Gutachten in einem nachfolgenden Rechtsstreit tatsächlich Verwendung findet. Es muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein. Mit dem Erfordernis hinreichenden Prozessbezugs soll verhindert werden, dass eine Partei ihre allgemeinen Unkosten oder prozessfremde Kosten auf den Gegner abwälzt und so den Prozess unkalkulierbar verteuert (BGH, a.a.O.).
Hinreichenden Prozessbezug nimmt die Rechtsprechung im allgemeinen dann an, wenn ein Privatgutachter auf eine konkrete Klageandrohung hin beauftragt wird, um so die Rechtsverteidigung der in Anspruch genommenen Partei zu fördern (Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rz. 13 "Privat-Gutachten" m.w.N.).
Der BGH hat allerdings auch dann die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten bejaht, wenn ein Sachverständigengutachten zwar schon vor Klageandrohung in Auftrag gegeben worden war, jedoch erst nach Klageandrohung erstellt wurde (BGH VersR 2006, 1236; NJW 2008, 1597). Auch das kann zur Bejahun...