Leitsatz (amtlich)
1. Eine Sicherungsverfügung gem. § 935 ZPO kann nicht auf die Besicherung eines Leichnams gerichtet werden, wenn es dem Verfügungskläger in der Hauptsache um den Ersatz von Beerdigungskosten und Hinterbliebenengeld (§ 844 Abs. 1 und 3 BGB) aus Behandlungsfehlerhaftung seiner Mutter geht.
2. Es ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein Antrag, den Leichnam vor Durchführung des Beweissicherungsverfahrens und der Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen keiner Veränderung zu unterziehen, Gegenstand einer Regelungsverfügung gem. § 940 ZPO sein kann. Zur Darlegung eines Verfügungsgrundes bedarf es jedoch Anhaltspunkten, dass der Leichnam im Besitz der Antragsgegnerin manipuliert werden könnte.
3. Ein Verfügungsgrund liegt nicht bereits dann vor, wenn die Antragsgegnerin als Klinikum des Aufenthaltsorts des Leichnams das Ordnungsamt zu dessen Abholung auffordert, da hierin noch keine Beweisvereitelung liegt. Um eine Bestattung oder Einäscherung vor einer Begutachtung des Leichnams durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen zu verhindern, kann beim Ordnungsamt gem. § 13 Abs. 3 S. 3 BestG NRW überdies eine Verlängerung der 10-Tages-Frist beantragt werden.
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 11 O 329/24) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen vom 01.10.2024 - 11 O 329/24 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 11.000 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO). Begründet ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wenn der Antragsteller einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund schlüssig behauptet und glaubhaft macht. Verfügungsanspruch ist jeder zivilrechtliche Individualanspruch, der nicht auf eine Geldleistung gerichtet ist. Es kommen nur solche Ansprüche auf Individualleistungen in Betracht, die der Durchsetzung in einem Hauptsacheprozess fähig sind, also alle Ansprüche auf Handlungen, Duldungen und Unterlassungen, gleich welcher Art (dingliche und persönliche Ansprüche) und welchen Rechtsgrunds (schuld-, sachen-, familien- und erbrechtliche Ansprüche) (vgl. Zöller/Vollkommer, 35. Auflage 2024, § 935 ZPO, Rn. 1, 6; Saenger/Kemper, 10. Auflage 2023, Rn. 11). Einen solchen, in einem Hauptsacheprozess durchsetzbaren Individualanspruch macht der Antragsteller nicht geltend. Er beruft sich auf mögliche Ansprüche auf Ersatz von Beerdigungskosten sowie auf Zahlung von Hinterbliebenengeld (§ 844 Abs. 1 und 3 BGB), d.h. auf Geldleistungen gerichtete Ansprüche, die er im Falle eines durch einen Gerichtssachverständigen festgestellten Behandlungsfehlers, der zum Tod seiner Mutter geführt hat, gegen die Antragsgegnerin geltend zu machen beabsichtigt. Soweit er ein Unterlassen jeglicher Veränderungen des Leichnams der Mutter durch die Antragsgegnerin begehrt, soll dies lediglich dazu dienen, die beantragte Beweissicherung durch gerichtliche Begutachtung des Leichnams zu ermöglichen und damit denkbare Ansprüche in einem Zivilrechtsstreit erfolgreich geltend zu machen. Auf einen eigenen materiell-rechtlichen Anspruch kann er sein Begehren auf Unterlassung von Veränderungen und einer Beweisvereitelung nicht stützen.
Ob das Begehren des Antragstellers, der Antragsgegner möge vor Durchführung des Beweissicherungsverfahrens und Begutachtung des Leichnams durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen keine Veränderung an dem Leichnam vornehmen, Gegenstand einer Regelungsverfügung nach § 940 ZPO sein kann, bedarf keiner Entscheidung durch den Senat. Denn der Antragsteller hat jedenfalls einen Verfügungsgrund nicht schlüssig dargelegt. Eine Regelungsverfügung wird erlassen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig ist. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin Manipulationen an dem Leichnam der Patientin vornimmt. Solche Anhaltspunkte legt der Antragsteller nicht dar und sie sind auch nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerdeschrift vom 07.10.2024 vorträgt, die Antragsgegnerin habe sich beim Ordnungsamt der Stadt Düren gemeldet und dieses zur Abholung des Leichnams aufgefordert, begründet auch dies nicht die Notwendigkeit des Erlasses einer Regelungsverfügung. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer an das Ordnungsamt gerichteten Aufforderung nicht - auch nicht mittelbar - an e...