Leitsatz (amtlich)

Im Falle des Abschlusses eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO ohne mündliche Verhandlung fällt eine Terminsgebühr auch dann an, wenn es sich nicht um Verfahren handelt, die nach § 128 Abs. 2 oder § 495a ZPO keine mündliche Verhandlung erfordern.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3104; ZPO § 278 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 22.07.2005; Aktenzeichen 20 O 596/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 470,50 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Nachdem das LG Termin zur Güteverhandlung anberaumt hatte, baten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieses unter Hinweis darauf, man habe sich außergerichtlich vergleichsweise geeinigt, um einen schriftlichen Vergleichsvorschlag. Der Text wurde dem LG im selben Schreiben mitgeteilt. Bei der Aushandlung des Vergleichs hatte es zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien keine persönlichen oder telefonischen Besprechungen gegeben, sondern lediglich schriftliche Kontakte. Das LG verfuhr entsprechend dem Begehren der Parteien und erließ, nachdem sich die Prozessbevollmächtigten für ihre Parteien einverstanden erklärt hatten, einen Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO. Der Termin wurde aufgehoben.

Die Klägerin hat zur Festsetzung u.a. eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV angemeldet. Der Rechtspfleger hat antragsgemäß entschieden.

Hiergegen hat die Beklagte "Erinnerung" eingelegt. Sie ist der Ansicht, es sei noch nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung zu entscheiden, da zur Zeit der Auftragserteilung diese noch gegolten habe. Sollte jedoch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz anzuwenden sein, so könne die Klägerin die Festsetzung einer Terminsgebühr aus Rechtsgründen nicht begehren.

Die Klägerin behauptet, sie behabe bedingten Klageauftrag erst zu einem Zeitpunkt erhalten, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bereits in Kraft getreten war, d.h. nach dem 30.6.2004.

Auf den Hinweis des Senats, dass sie ihre diesbezügliche Behauptung glaubhaft zu machen habe, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin das auf den 8.10.2004 datierende Auftragschreiben ihrer Mandantin vorgelegt und ihren Sachvortrag anwaltlich versichert.

II. Die gem. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinen Erfolg.

1. Es ist das RVG anzuwenden. Nach § 61 Abs. 1 S. 1 RVG ist die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung noch anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag schon vor dem 1.7.2004 erteilt wurde. Durch Vorlage des Auftragsschreibens an ihre Prozessbevollmächtigten aus Oktober 2004 haben die Kläger ausreichend glaubhaft gemacht, dass unbedingter Auftrag erst nach dem Stichtag erteilt wurde. Die von ihnen abgegebene anwaltliche Versicherung stellt ein geeignetes Mittel zur Glaubhaftmachung dar (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 294 Rz. 5).

2. Kommt es zu einem Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO, ohne dass ein mündlicher Verhandlungstermin stattfindet oder der außergerichtlichen Einigung mündliche oder telefonische Besprechungen der Prozessbevollmächtigten vorausgegangen sind, so ist eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 (1) 1 RVG-VV entstanden (ebenso: KG RVGreport 2005, 426; OLG Stuttgart AGS 2005, 482; LG Bonn AGS 2005, 288; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG-VV, 16. Aufl., Nr. 3104 Rz. 54; Hergenröder, AGS 2005, 478 f.; Mayer/Kroiß, RVG-VV, Nr. 3104 Rz. 22; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3 Abschnitt 1 Rz. 51; Schneider, AGS 2005, 291; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 278 Rz. 27). Die Gegenansicht überzeugt indessen nicht. (Sie wird vertreten vom BGH, Beschl. v. 30.6.2004 - VI ZB 81/03, BGHReport 2004, 1131 = BGHReport 2004, 524 = MDR 2004, 965; OLG Koblenz AGS 2005, 479; OLG Nürnberg v. 15.12.2004 - 3 W 4006/04, OLGReport Nürnberg 2005, 179 = MDR 2005, 599 = AGS 2005, 144 = NJW-RR 2005, 655; AGS 2005, 483; OLG Saarbrücken AGS 2005, 485; LAG Berlin AGS 2005, 485; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., Nr. 3104 RVG-VV Rz. 30).

Der Senat vermag dem Teilsatz in Nr. 3104 (1) 1 RVG-VV "in einem solchen Verfahren" nicht die Bedeutung beizumessen, dass damit nur das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO oder dasjenige nach § 495a ZPO gemeint sind. Vielmehr ist nach Auffassung des Senats der genannte Teilsatz so zu verstehen, dass eine Terminsgebühr anfällt, wenn es zu einem Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO kommt, ohne dass die eigentlich vorgeschriebene mündliche Verhandlung stattfindet. Nur diese Auslegung wird der Intension des Gesetzgebers gerecht, die außergerichtliche Streitbeilegung durch Gebührenanreize zu fördern. Dem liefe es aber zuwider, wenn die Prozessbevollmächtigten, die bereits mittels Schriftverkehrs eine vergleichsweise Regelung ausgehandelt haben, in gebührenrechtlicher Hinsicht den Termin zur mündlichen Verhandlung abwarten müssten, um dort zunächst die Frage eines ...

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