Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Unzulässigkeit einer Vereinbarung über die Behandlung angleichungsdynamischer Anrechte (Ost) wie angleichungsdynamische Anrechte (West)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aussetzung des Versorgungsausgleichs nach § 2 I 2 VAÜG kann nicht durch eine Vereinbarung der Ehegatten, die in der Ehezeit jeweils angleichungsdynamische Anrechte (Ost) und nichtangleichungsdynamische Anrechte (West) erworben haben, wobei der insgesamt ausgleichpflichtige Ehemann die höheren West-Anwartschaften (208,68 EUR gegenüber 19,11 EUR) erworben hat, während die ausgleichsberechtigte Ehefrau über höhere Ost-Anwartschaften (36,12 EUR gegenüber 28,97 EUR) verfügt, vermieden werden, wonach die vorhandenen angleichungsdynamischen Anrechte (Ost) wie nichtangleichungsdynamische Anrechte (West) behandelt werden sollen. Eine solche Vereinbarung ist gem. §§ 1587o I 2, 134 BGB nichtig, da damit die unzulässige Folge verbunden ist, dass zu Lasten des Ausgleichspflichtigen mehr Anwartschaften übertragen werden, als dies ohne die Vereinbarung der Fall wäre.
2. Das Beschwerdegericht kann unter Aufhebung der unzulässigerweise ergangenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich selbst die Aussetzung gem. §§ 2 VAÜG, 628 ZPO aussprechen (wie OLG Karlsruhe, NJWE-RR 1996, 903 und entgegen OLG Köln FamRZ 1994, 1041).
Normenkette
VAÜG § 2; ZPO § 628; BGB § 1587o Abs. 1 S. 2, § 134; VAÜG § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Brühl (Urteil vom 28.12.2007; Aktenzeichen 32 F 29/07) |
Tenor
1. Das Urteil des AG - FamG - Brühl vom 28.12.2007 - 32 F 29/07 - wird aufgehoben, soweit unter II. eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich getroffen worden ist.
2. Das Verfahren zur Durchführung des Versorgungsausgleichs wird aus dem Verbund abgetrennt und gem. §§ 2 Abs. 2 S. 2 VAÜG, 628 Abs. 1 ZPO ausgesetzt.
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben.
4. Die Anträge der Parteien auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden zurückgewiesen.
Gründe
I. In dem angefochtenen Urteil hat das AG die am 18.6.1994 geschlossene Ehe der Parteien - rechtskräftig seit dem 26.3.2008 - geschieden. Gleichzeitig hat es vom Rentenkonto des Antragstellers bei der weiter beteiligten Rentenversicherung Rentenanwartschaften im Wert von 91,31 EUR monatlich auf das Rentenkonto der Antragsgegnerin übertragen, und zwar bezogen auf den 31.1.2007.
Beide Parteien haben sowohl Rentenanwartschaften West als auch Rentenanwartschaften Ost, bei denen es sich um angleichungsdynamische Anrechte i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG handelt. Unter Hinzurechnung einer kleinen Betriebsrente, die das AG unter Anwendung der BarwertVO im Einzelnen berechnet hat, betragen die vom Antragsteller erlangten nichtangleichungsdynamischen Anrechte i.S.v. § 1587 Abs. 2 Nr. 2 BGB (insgesamt) 208,68 EUR, die der Antragsgegnerin 19,11 EUR. Demgegenüber betragen die angleichungsdynamischen Anrechte (Rente Ost) des Antragstellers 28,97 EUR und der Antragsgegnerin 36,12 EUR.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2007 haben die Parteien persönlich und in Anwesenheit ihrer jeweiligen Rechtsanwälte einen Vergleich über nachehelichen Unterhalt und weitere Scheidungsfolgen geschlossen, in dem es u.a. heißt:
"Die Parteien sind sich einig, dass im Versorgungsausgleich die beiderseitigen Anwartschaften auf angleichungsdynamische Renten zum Nominalwert anrechenbar sein sollen."
Bei Berechnung des Ausgleiches hat das AG sodann die Anrechte aus den Ost-Renten ohne Angleichung in die Berechnung eingestellt, also wie West-Renten behandelt, und ist zu einem (Gesamt-)Ausgleich von 91,31 EUR gelangt.
Gegen dieses der weiter beteiligten Rentenversicherung am 24.1.2008 zugestellte Urteil hat diese mit am 11.02. (per Fax) bzw. 13.2.2008 eingegangenem Schriftsatz vom 8.2.2008 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wird darauf gestützt, dass das AG § 2 Abs. 1 VAÜG nicht beachtet habe; da die Voraussetzungen von S. 1 nicht vorlägen, hätte das AG das Verfahren über den Versorgungsausgleich gemäß S. 2 aussetzen müssen.
II. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten ist zulässig und auch in der Sache begründet.
1. Die gem. § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 621e Abs. 1 ZPO gegen eine Endentscheidung zum Versorgungsausgleich statthafte befristete Beschwerde der Beteiligten als Träger der Rentenversicherung ist gem. §§ 621e Abs. 3 S. 2., 517, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Sie ist auch im Übrigen zulässig. Auf eine etwaige Mindestbeschwer kommt es in Versorgungsausgleichssachen nicht an, was sich u.a. auch aus der fehlenden Bezugnahme auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergibt (vgl. Zöller/Philippi, 26. Aufl., § 621e ZPO, Rz. 34; OLG Naumburg FamRZ 2005, 116 = juris Rz. 5). Die Beteiligte kann als Versorgungsträgerin Beschwerde auch ohne Rücksicht darauf einlegen, ob sich das Rechtsmittel zugunsten oder zu Lasten eines der Ehegatten auswirkt oder sich das Versicherungsrisiko erhöht oder...