Entscheidungsstichwort (Thema)
Vaterschaftsanfechtung bei bewußt falschem Anerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
Prozesskostenhilfe für ein Verfahren auf Vaterschaftsanfechtung kann auch bei einem bewusst falschen Vaterschaftsanerkenntnis und der in Kenntnis der Nichtvaterschaft erteilten Zustimmung der Kindesmutter hierzu nicht wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung versagt werden ((hier für den Fall der Vaterschaftsanfechtung durch die Kindesmutter).
Normenkette
BGB § 1592 Nr. 2, §§ 1599, 1600 Abs 1 Nr. 1; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Köln (Beschluss vom 02.02.2006; Aktenzeichen 301 45/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Prozesskostenhilfe verweigernde Beschluss des AG - FamG - Köln vom 2.2.2006 - 301 F 45/06 - abgeändert.
Der Klägerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T. in L. bewilligt.
Gründe
I. Die nicht verheiratete Klägerin ist die Mutter eines am 29.1.2004 geborenen Mädchens. Der Beklagte hat die Vaterschaft für das Kind durch Jugendamtsurkunde vom 25.3.2004 anerkannt. Mit am 31.1.2006 beim AG eingereichter Klage erstrebt die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte nicht der Vater ihrer Tochter ist. Sie trägt dazu vor, der leibliche Vater des Kindes sei ein Herr S. Dieser habe jedoch nach der Geburt des Kindes aus persönlichen Gründen nicht in Erscheinung treten sollen, weshalb sie - die Klägerin - die Angabe des Kindesvaters verweigert habe. Sie sei jedoch von den Sozialbehörden mit der Androhung von Leistungsentzug unter Druck gesetzt worden und habe deshalb den Beklagten, der sich zur Vaterschaftserkennung bereit gefunden habe, als Vater benannt. Inzwischen habe sich die Situation geändert, sie - die Klägerin - und der leibliche Kindesvater beabsichtigten, demnächst zu heiraten. Für sie sei es deshalb wichtig, dass der richtige Vater des Kindes in der Geburtsurkunde stehe.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG die von der Klägerin beantragte Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, die Rechtsverfolgung sei mutwillig, weil die Klägerin selbst durch falsche Erklärungen bewirkt habe, dass die Abstammung des Kindes unrichtig in öffentliche Urkunden eingetragen worden sei.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde der Klägerin hat das AG nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Der zuständige Einzelrichter hat die Entscheidung dem Senat als Kollegialgericht übertragen.
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat Aussicht auf Erfolg. Auch bei einem bewusst falschen Vaterschaftsanerkenntnis kann die Vaterschaft gem. § 1600 I Nr. 1, 1599 I, 1592 Nr. 2 BGB angefochten werden (OLG Köln v. 25.10.2001 - 14 UF 106/01, OLGReport Köln 2002, 29 = FamRZ 2002, 629 ff. mit ausführlicher Begründung; Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1598 Rz. 2). Das Anfechtungsrecht ist in diesen Fällen nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen (OLG Köln v. 25.10.2001 - 14 UF 106/01, OLGReport Köln 2002, 29 = FamRZ 2002, 629 ff., für den Fall der Anfechtung durch den Anerkennenden). Die zweijährige Anfechtungsfrist, die gem. § 1600b Abs. 2 Nr. 1 BGB mit der Wirksamkeit der Anerkennung beginnt, ist vorliegend gewahrt.
Entgegen der Auffassung des AG kann die nachgesuchte Prozesskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung versagt werden. Insoweit ergeben sich Parallelen zum Fall der Auflösung einer Scheinehe (vgl. dazu und zum Nachfolgenden BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 247/03, BGHReport 2005, 1380 = MDR 2005, 1230 = FamRZ 2005, 1477 f.). Zwar ist die Eingehung der Scheinehe als rechtsmissbräuchlich anzusehen, nicht aber die Auflösung der Ehe auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg. Daraus ergibt sich zugleich, dass ein Scheidungsbegehren in diesen Fällen nicht als mutwillig i.S.v. § 114 ZPO angesehen werden kann. Andernfalls würde die bedürftige Partei unter Verletzung des Grundsatzes der Rechtsanwendungsgleichheit schlechter gestellt als die nicht bedürftige.
Entsprechende Erwägungen gelten für den vorliegenden Sachverhalt. Auch hier mag zwar die Vaterschaftsanerkennung und insb. die in Kenntnis der Nichtvaterschaft des Beklagten erteilte Zustimmung der Klägerin zu der Anerkennung rechtsmissbräuchlich gewesen sein, das gilt aber nicht für die Beseitigung der dadurch eingetretenen Rechtsfolgen auf dem gesetzlich allein möglichen Weg der Vaterschaftsanfechtung (BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 247/03, BGHReport 2005, 1380 = MDR 2005, 1230 = FamRZ 2005, 1477 f.). Wenn danach in solchen Fällen einer nicht bedürftigen Partei diese Möglichkeit eröffnet ist, kann sie einer bedürftigen Partei nicht wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung verweigert werden.
Da die Bedürftigkeit der Klägerin zweifelsfrei belegt ist, war ihr somit Prozesskostenhilfe bewilligen.
Aus gegebenen Anlass weist der Senat abschließend darauf hin, dass es entgegen der Auffassung des Vormundschaftsgerichts, das von dem FamG um die Bestellung eines E...