Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Mutwilligkeit der Vaterschaftsanfechtungsklage bei Zweifeln der Kindesmutter anläßlich der Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung gem. § 1595 Abs. 1 BGB
Leitsatz (amtlich)
Die Vaterschaftsanfechtungsklage der Kindesmutter ist nicht mutwillig i.S.v. § 114 ZPO, wenn die Kindesmutter bei der Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung (§ 1595 Abs. 1 BGB) bereits Zweifel an der Vaterschaft hatte.
Normenkette
BGB §§ 1599-1600; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Greifswald (Beschluss vom 17.10.2006; Aktenzeichen 61 F 97/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Greifswald - FamG - vom 17.10.2006 - 61 F 97/06, geändert.
Der Antragstellerin wird für den 1. Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin M. Greifswald beigeordnet.
Gründe
A. Die Antragstellerin ist die Mutter der am 23.9.2005 geborenen C.J.K. Der Antragsgegner, der mit der Antragstellerin bis zum 10.1.2006 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hat, hat mit Zustimmung der Antragstellerin die Vaterschaft für das Kind durch Jugendamtsurkunde anerkannt.
Mit ihrer Klage begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass der Antragsgegner nicht der Vater des Kindes ist. Sie behauptet, innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit vom 27.11.2004 bis 26.3.2005 neben dem Antragsgegner noch mit Herrn T. einmalig geschlechtlich verkehrt zu haben. Ihre Zweifel an der Vaterschaft des Antragsgegners seien durch einen am 4.5.2006 eingeholten vorgerichtlichen Vaterschaftstest bestätigt worden.
Mit angefochtenem Beschluss hat das AG der Antragstellerin die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Vaterschaftsanfechtungsklage verweigert, weil die Klage mutwillig sei. Sie hätte den Prozess vermeiden können. Die Vaterschaftsanerkennung des Antragsgegners sei nur mit ihrer Zustimmung wirksam geworden. Ein verständiger Dritter, der für die Kosten eines Anfechtungsverfahrens selbst aufzukommen hätte, würde eine Zustimmungserklärung nur geben, wenn die Vaterschaft tatsächlich bestehe. Da die Antragstellerin bereits vor der Zustimmungserklärung gewusst habe, dass sie auch mit Herrn T. innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt hatte, sei es ihr zumutbar gewesen, vor der Zustimmungserklärung einen Abstammungstest außergerichtlich durchzuführen.
Gegen den Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das FamG nicht abgeholfen hat.
B. Die gem. §§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Die Antragstellerin trägt Umstände vor, die an der Vaterschaft des Antragsgegners ernsthaft zweifeln lassen. Die zweijährige Anfechtungsfrist, die gem. § 1600b Abs. 2 Satz 1 BGB mit der Wirksamkeit der Anerkennung beginnt, ist gewahrt.
Mit der Antragstellerin ist der Senat, anders als das AG, der Auffassung, dass der Antragstellerin die nachgesuchte Prozesskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung versagt werden kann. Es ist hier bereits fraglich, ob die Zustimmung zu einer Vaterschaftsanerkennung auch dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn die Kindesmutter lediglich Zweifel an der Vaterschaft des Anerkennenden hat. Selbst in dem Fall, der hier allerdings nicht vorliegt, dass die Kindesmutter einem bewusst falsch abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnis zugestimmt hätte, wäre eine Vaterschaftsanfechtungsklage nicht mutwillig. Auch bei einem bewusst falschen Vaterschaftsanerkenntnis kann die Vaterschaft angefochten werden. Das Anfechtungsrecht ist in diesen Fällen nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen (OLG Köln v. 25.10.2001 - 14 UF 106/01, OLGReport Köln 2002, 29 = FamRZ 2002, 629). Es ergeben sich Parallelen zum Fall der Auflösung einer Scheinehe (BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 247/03, BGHReport 2005, 1380 = MDR 2005, 1230 = FamRZ 2005, 1477). Zwar ist die Eingehung der Scheinehe als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Dies gilt jedoch nicht für die Auflösung der Ehe auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg. Daraus folgt, dass ein Scheidungsbegehren in diesen Fällen nicht als mutwillig i.S.d. § 114 ZPO angesehen werden kann. Andernfalls würde die bedürftige Partei unter Verletzung des Grundrechts der Rechtsanwendungsgleichheit schlechter gestellt als die nicht bedürftige. Gleiches gilt hier. Selbst wenn die Vaterschaftsanerkennung bzw. Zustimmung rechtsmissbräuchlich gewesen wäre, gilt dies jedenfalls nicht für die Beseitigung der dadurch eingetretenen Rechtsfolgen auf dem gesetzlich allein möglichen Weg der Vaterschaftsanfechtung (OLG Köln v. 11.5.2006 - 14 WF 49/06, OLGReport Köln 2006, 726 = FamRZ 2006, 1280). Die Auffassung des AG würde dazu führen, dass eine reiche Partei nicht gehindert wäre, im Wege der Anfechtung feststellen zu lassen, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist. Die arme Partei dagegen würde an der Anerkennung festgehalten werden (BVerfG NJW 1985, 425, für den Fall der Scheinehe). Prozess...