Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzlich keine Anfechtung eines Beschlusses über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen die Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO findet entsprechend § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO grundsätzlich keine Anfechtung statt. Für eine Ausnahme unter dem Gesichtspunkt einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit reicht es nicht aus, wenn der Einstellungsbeschluss keine Begründung enthält.

 

Normenkette

ZPO §§ 769, 707 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

AG Heinsberg (Aktenzeichen 7 F 196/01)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 8.5.2001 gegen den Beschluss des AG – FamG – Heinsberg vom 4.5.2001 – 7 F 196/01 – wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist nicht zulässig.

Sie richtet sich dagegen, dass das AG die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des AG Heinsberg vom 13.3.1996 – 7 F 266/95 (AG Heinsberg v. 13.3.1996 – 7 F 266/95) entsprechend § 769 ZPO ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt hat. Gegen eine solche Entscheidung findet analog § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO eine Anfechtung grundsätzlich nicht statt. Die sofortige Beschwerde ist nur ausnahmsweise statthaft, wenn das Gericht die Grenzen seines Ermessens verkannt hat oder eine greifbare Gesetzeswidrigkeit vorliegt (st. Rspr.: OLG Köln v. 14.2.2001 – 27 WF 39/01; v. 14.1.1999 – 15 W 144/98, OLGR Köln 1999, 379 = NJW-RR 2000, 1235; v. 16.9.1994 – 1 W 50/94, OLGR Köln 1995, 75 = FamRZ 1995, 1003; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 707 Rz. 17 und § 769 Rz. 13; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 707 Rz. 22 und § 769 Rz. 13 jeweils m.w.N.). In der Rechtsprechung des BGH wird betont, dass die außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit auf wirkliche Ausnahmefälle krassen Unrechts zu beschränken ist (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 567 Rz. 18a m.w.N.). Eine Anfechtbarkeit wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn die angegriffene Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (z.B. BGH v. 12.10.1989 – VII ZB 4/89, BGHZ 109, 41 [43] = MDR 1990, 144 = NJW 1990, 840; v. 8.10.1992 – VII ZB 3/92, BGHZ 119, 372 [374] = MDR 1993, 80 = NJW 1993, 135; v. 20.7.1999 – X ZB 12/99, NJW-RR 1999, 1585).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Beklagten meinen, die Beschwerde müsse schon deshalb Erfolg haben, weil der angefochtene Beschluss nicht begründet worden ist. Dies alleine eröffnet jedoch die Möglichkeit einer außerordentlichen Beschwerde nicht. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die fehlende Begründung ein Anfechtungsrecht gebe, da ohne Begründung eine Überprüfung auf die Einhaltung der Ermessensgrenzen nicht möglich sei (OLG Köln v. 11.11.1999 – 14 WF 164/99, MDR 2000, 414 = OLGR Köln 2000, 28; OLG Frankfurt v. 22.10.1998 – 24 W 58/98, MDR 1999, 504; w.N. bei Zöller/Herget § 769 Rz. 13). Überwiegend wird dagegen allein wegen des Fehlens einer Begründung eine greifbare Gesetzeswidrigkeit des Beschlusses nicht angenommen (OLG Köln v. 2.6.1989 – 2 W 101/89, MDR 1989, 919; v. 7.3.1997 – 25 WF 28/97, NJW-RR 1998, 365 = OLGR Köln 1997, 176; v. 14.1.1999 – 15 W 144/98, NJW-RR 2000, 1235 = OLGR 1999, 379; Karsten Schmidt in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 769 Rz. 33; Krüger in MünchKomm/ZPO, § 707 Rz. 24; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 707 Rz. 19 und § 769 Rz. 18; Zöller/Herget, § 707 Rz. 22, § 769 Rz. 13; Egon Schneider, MDR 1985, 547 [548 f.]; MDR 1987, 64).

Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Auch wenn nach verbreiteter Ansicht Einstellungsbeschlüsse zu begründen sind (z.B. Zöller/Herget § 769 Rz. 6 m.w.N.), so sind ohne eine solche Begründung ergangene Beschlüsse mit der geltenden Rechtsordnung nicht schlechthin unvereinbar; sie entbehren nicht jeder gesetzlichen Grundlage und sind dem Gesetz, das eine Begründungspflicht zudem nicht ausdrücklich vorsieht, inhaltlich nicht fremd. Zwingend einer Begründung bedürfen nur rechtsmittelfähige Entscheidungen (Zöller/Vollkommer § 329 Rz. 24 m.w.N.). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist jedoch grundsätzlich nicht anfechtbar. Es ist zwar richtig, dass infolge der mangelnden Begründung nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob das Gericht bei seiner Entscheidung die Grenzen seines Ermessens verkannt oder sein Ermessen überhaupt ausgeübt hat. Dies bedeutet aber nicht, dass das Gericht tatsächlich seine Entscheidung unter Verkennung der ihm gesetzten Grenzen getroffen hat. Die bloße Möglichkeit, das Gericht könnte bei der nicht begründeten Entscheidung sein Ermessen nicht ausgeübt oder die Grenzen seines Ermessensspielraums verkannt haben, genügt nicht, um die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde zu bejahen (OLG Köln v. 14.1.1999 – 15 W 144/98, OLGR Köln 1999, 379 = NJW-RR 2000, 1235 [1236]). Der maßgebende Mangel, der eine außerordentliche Beschwerde zu eröffnen vermag, kann nur darin liegen, dass die E...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?