Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten nach Frankreich zur Strafverfolgung wegen der den Europäischen Haftbefehlen der Staatsanwältin am Tribunal de grande instance Paris vom 21.05.2019 und 12.06.2019 (beide zu Az.11821200318) zugrunde liegenden Taten wird für unzulässig erklärt.

Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 11.06.2019 in der Fassung des Auslieferungshaftbefehls des Senats vom 17.06.2019 sowie der Verschonungsbeschluss des Senats vom 28.06.2019 (alle zu Az. 6 AuslA 110/19 - 55 -) werden aufgehoben.

Die notwendigen Auslagen des Verfolgten werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Die französischen Behörden haben zunächst mit einem dem Senat vorliegenden Europäischen Haftbefehl der Staatsanwältin am Tribunal de grande instance Paris vom 21.05.2019 (Az. 11821200318) um die Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland nach Frankreich zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht. Dem Ersuchen zur Strafverfolgung lag ein nationaler Haftbefehl der Ermittlungsrichterin am Tribunal de grande instance Paris vom selben Tag zugrunde.

Dem Verfolgten wurde hierin die Begehung von Taten - unerlaubtes Glückspiel, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie Geldwäsche - aus den Jahren 2017, 2018 und bis zum 20.05.2019 zur Last gelegt. In dem vorgenannten Europäischen Haftbefehl wird hierzu ausgeführt:

"Am 20. November 2017 wurde die Zentrale Stelle für Rennen und Wetten (Service central des courses et jeux) durch einen anonymen Anruf darüber informiert, dass mehrere Personen Tabakladeninhabern im Departement Val-de-Marne Computer angeboten hätten, die die illegale Entgegennahme von Online-Sportwetten in verschiedenen Sportarten ermöglichen würden. Große Gewinne würden von den Organisatoren ausbezahlt, von denen einer türkisch-deutscher Abstammung sei und die Handy-Nummer xxx verwende.

Die über mehrere Monate gehenden Abhörmaßnahmen, Geolokalisierungen der Fahrzeuge und Überwachungsmaßnahmen ermöglichten es, die verschiedenen Täter auf französischem Staatsgebiet zu identifizieren und ausfindig zu machen. Es konnten zahlreiche Tabakläden in der Region von Paris, aber auch in der von Lyon ausfindig gemacht werden, die mit online-wettfähigen Computern ausgestattet worden waren.

Darüber hinaus konnten im Rahmen von Abhöhr- und Überwachungsmaßnahmen zwei Personen mit Wohnsitz in Deutschland identifiziert werden, die regelmäßig nach Frankreich reisten. Bei diesen zwei Personen handelte es sich um A B und seinen Bruder C B, die das Netzwerk von Deutschland aus zu betreiben schienen.

Die bereits durchgeführten Ermittlungen ergaben im Detail, das A B einer der Hauptorganisatoren dieses Netzwerks ist und regelmäßig nach Frankreich reist, um den Wettbetrieb bei dem für den Pariser Raum zuständigen D B zu überprüfen und das Geld aus dieser illegalen Tätigkeit einzusammeln.

C B wurde im Rahmen der Ermittlungen ebenfalls als einer der Organisatoren dieses Netzwerks identifiziert. So ging insbesondere aus einem Gespräch hervor, dass der für das Netzwerk in Lyon verantwortliche E B dem D B den Auftrag erteilte, C B etwas zu übergeben."

Der Verfolgte, gegen den die französischen Behörden zeitgleich mit einer Europäischen Ermittlungsanordnung die Durchsuchung seiner Wohnung sowie mit einer Sicherstellungsanordnung den Erlass eines Vermögensarrestes begehrt haben, ist am 04.06.2019 in F festgenommen und am selben Tag zu dem Auslieferungsersuchen der französischen Behörden vor dem Amtsgericht Brühl angehört worden. Er hat sich mit einer vereinfachten Auslieferung nach Frankreich nicht einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet. Er hat weder zu seinen persönlichen Verhältnissen noch zur Sache Angaben gemacht.

Der Senat hat mit Beschluss vom 11.06.2019 (Az. 6 AuslA 110/19 - 55 -) die Auslieferungshaft gegen den Verfolgten angeordnet.

Die französischen Behörden haben in der Folge auf der Grundlage eines neuen nationalen Haftbefehls der Untersuchungsrichterin am Tribunal de grande instance Paris vom 07.06.2019 einen neuen Europäischen Haftbefehl der Staatsanwältin am Tribunal de grande instance Paris vom 12.06.2019 (ebenfalls zu Az. 11821200318) übersandt, der die gleichen Tatvorwürfe zum Gegenstand hat, jedoch als Tatzeiten die Jahre 2017, 2018 und bis zum 03.06.2019 aufführt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 17.06.2019 (Az. 6 AuslA 110/19 - 55 -) die Fortdauer der Auslieferungshaft mit der Maßgabe angeordnet, dass diese nunmehr ihre Grundlage in dem Europäischen Haftbefehl der Staatsanwältin am Tribunal de grande instance Paris vom 12.06.2019 (ebenfalls zu Az. 11821200318) hat.

Mit Schreiben seiner Wahlbeistände vom 18.06.2019, 24.06.2019 und 25.06.2019 hat der Verfolgte Einwendungen gegen die Haftentscheidungen des Senats erhoben und beantragt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise diesen außer Vollzug zu setzen. Zur Begründung hat er das Fehlen einer hinreichenden Konkretisierung des dem Verfolgten zur Last gelegten Tatgeschehens angeführt. Zudem hat er den Haftgrund der Fluchtgefahr angegriffen und zu...

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