Entscheidungsstichwort (Thema)

Handlungspflichten nach Vertriebsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Schuldner, dem der Vertrieb eines bestimmten Produktes untersagt worden ist, hat auch dafür Sorge zu tragen, dass von ihm bereits veräußerte, aber von seinen Abnehmern noch nicht abgesetzte Vertriebsstücke vom Markt genommen werden.

2. Es spricht eine - widerlegbare - tatsächliche Vermutung für die Annahme, seine Handelspartner hätten einer eindringlichen Bitte des Schuldners auf Rückabwicklung des Veräußerungsgeschäfts entsprochen.

 

Normenkette

ZPO § 890

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 07.12.2007; Aktenzeichen 81 O 139/07)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 81 O 139/07 SH I - vom 7.12.2007, durch den gegen sie wegen Verstoßes gegen das in der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 24.5.2007 - 81 O 139/07 - ausgesprochene Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld i.H.v. 50.000 EUR festgesetzt worden ist, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.

 

Tatbestand

Der Schuldnerin, einer Möbelherstellerin, war in einem Verfügungsverfahren untersagt worden, bestimmte Schrank- und Vitrinenelemente zu vertreiben. Das LG hatte sie später zur Zahlung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 50.000 EUR verurteilt, weil die Schuldnerin vor Zustellung der einstweiligen Verfügung bereits in den Handel gegebene Lieferungen nicht zurückgerufen hatte. Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin.

 

Entscheidungsgründe

Die gem. §§ 793, 890 Abs. 1, 891 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Einwände der Schuldnerin, wonach die einstweilige Verfügung zu Unrecht ergangen ist, können der sofortigen Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Im Zwangsvollstreckungsverfahren ist die materielle Berechtigung des zugrunde liegenden Titels nicht zu überprüfen.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zunächst Bezug genommen wird, hat das LG einen - erheblichen - Verstoß der Schuldnerin gegen das ihr auferlegte Verbot darin gesehen, dass sie die gewerblichen Abnehmer der Schrank- und Vitrinenelemente, deren Vertrieb ihr untersagt worden war, nicht dazu angehalten hat, diese aus ihrem Sortiment zu nehmen. Es obliegt dem Unterlassungsschuldner nicht nur, keine weiteren Handlungen vorzunehmen, die eine Verletzung des Unterlassungsgebotes darstellen. Er muss vielmehr auch aktiv tätig werden, um die drohende Verwirklichung eines Verletzungsfalles nach Kräften abzuwenden, die auf Grund einer von ihm bereits vorgenommenen Handlung droht (vgl. BGH NJW 1993, 1076f - "Straßenverengung"; Senat MD 99, 881 f.; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 57 Rz. 26; Ahrens/Spätgens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl. Kap. 64, Rz. 61; Hefermehl/Köhler/Bornkamm 26. Aufl., § 12 Rz. 6.7). In dem hier gegebenen Falle des Vertriebsverbotes hat der Unterlassungsschuldner, soweit ihm dies möglich ist, auch dafür Sorge zu tragen, dass solche Exemplare der streitgegenständlichen Ware, die sich bereits auf dem Absatzweg befinden, aber auf der letzten Handelsstufe noch nicht abgesetzt sind, dem Endverbraucher nicht mehr angeboten werden. Diese Obliegenheit entfällt nicht von vornherein deswegen, weil die Abnehmer der Schuldnerin nicht in deren Vertriebsorganisation eingebunden und als eigenständige Unternehmen auch nicht von ihr weisungsabhängig sind. Denn es ist nahe liegend, dass die Handelspartner einen Hinweis der Schuldnerin darauf, dass ihr der weitere Vertrieb gerichtlich untersagt sei, zum Anlass genommen hätten, ihrerseits die Ware aus dem Sortiment zu nehmen, auch wenn sie hierzu angesichts der Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen gerade ggü. der Schuldnerin nicht verpflichtet waren. Sie mussten angesichts der parallelen Rechtslage nämlich damit rechnen, dass die Gläubigerin sonst mit Erfolg auch gegen sie vorgehen würde. Ihrer Verpflichtung, ihren Abnehmern die Rechtslage deutlich vor Augen zu führen und den Versuch zu unternehmen, sie von einem weiteren Vertrieb abzuhalten, ist die Schuldnerin nicht nachgekommen. Ihr bestrittener Vortrag, sie habe "unter dem 5.10.2007 den Möbelhandel entsprechend informiert", genügt den insoweit zu stellenden Anforderungen nicht: Die Schuldnerin hätte umgehend nach Zustellung der Verbotsverfügung am 30.5.2007 - und nicht erst gut vier Monate später und nach Einleitung des vorliegenden Bestrafungsverfahrens - im vorbeschriebenen Sinne tätig werden müssen. Es kommt daher nicht darauf an, dass sich aus dem vorzitierten unsubstantiierten Vortrag nicht entnehmen lässt, dass die Schuldnerin in der gebotenen Weise auf einzelne Abnehmer eingewirkt habe. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Abnehmer die geschuldeten rechtlichen Hinweise und eine nachhaltige Bitte, von dem Weitervertrieb abzusehen, ignorieren würden, hat die Schuldnerin nicht substantiiert vorgetragen. Ihr Vortrag, das als Anlage AG 2 zur Beschwerdebegründung vor...

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