Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Erwerbsobliegenheit beim Kindesunterhalt
Normenkette
BGB § 1603
Verfahrensgang
AG Heinsberg (Beschluss vom 06.12.2010; Aktenzeichen 31 F 331/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 5.1.2011 wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - der Beschluss des AG - Familiengericht - Heinsberg vom 6.12.2010 - 31 F 331/10 - in Form des Teilabhilfebeschlusses vom 28.2.2011 teilweise abgeändert. Dem Antragsteller wird für seinen Abänderungsantrag Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. aus H. mit Wirkung ab Antragstellung bewilligt, soweit er eine Herabsetzung seiner Unterhalts-verpflichtung auf 266 EUR monatlich anstrebt. Beginnend mit Juni 2011 hat er Raten an die Gerichtskasse zu zahlen von 30 EUR monatlich.
Das weiter gehende Verfahrenskostenhilfegesuch bleibt zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 1, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig; sie hat auch teilweise Erfolg.
Der Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts für die inzwischen 16-jährige Tochter ab 1.8.2010 hat weiter gehend als vom AG angenommen Aussicht auf Erfolg.
Das Nettoeinkommen des Antragstellers hat das AG auf unangefochten ca. 1.558 EUR ermittelt. Hiervon sind ebenfalls unstreitig 118 EUR berufsbedingte Fahrtkosten abzuziehen. Weitergehende Abzüge hat das Familiengericht zu Recht abgelehnt. Die Aufwendungen für Lebensversicherungen und ergänzende Altersvorsorge (Gehaltsumwandlung) sind gem. Nr. 10.1.2 S. 4 der Unterhaltsleitlinien des OLG Köln als sekundäre Altersvorsorge nur dann berücksichtigungsfähig, "wenn der Mindestbedarf gedeckt ist", was vorliegend nicht der Fall ist. In dem vorstehend angesetzten Nettoeinkommen sind zwar die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers von 26,59 EUR nicht enthalten. Sie sind aber auch nicht hinzuzurechnen, da der Arbeitgeber diese Leistung nur erbringt, wenn der Arbeitnehmer den Betrag anspart; für die Lebenshaltung steht dieser Betrag in keinem Fall zur Verfügung.
Die Steuererstattung aus dem Bescheid vom 23.7.2010 für 2009 hat das AG dem Antragsteller mit knapp 38 EUR anteilig zugerechnet; von der Beschwerde wird hiergegen nichts erinnert.
Bei der abschließenden Saldierung ist das Familiengericht dann zu einem Einkommen von 1.447,57 EUR gekommen. Hier liegt offensichtlich ein Schreib- oder Rechenfehler vor, da sich richtigerweise 1.477,57 EUR, also gerundet 1.478 EUR, ergeben.
Nach Nr. 21.5 letzter Absatz der Unterhaltsleitlinien des OLG Köln kann der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen wegen einer infolge gemeinsamer Haushaltsführung tatsächlich eingetretenen Ersparnis - höchstens jedoch bis auf sein Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen - herabgesetzt werden. Insoweit kommt beim Zusammenleben mit einem Ehegatten oder Lebensgefährten wegen der damit regelmäßig einhergehenden Synergieeffekte die Unterschreitung des Selbstbehaltes in Betracht (BGH FamRZ 2010, 802 ff. = juris Rz. 28 f.). Diese Ersparnis durch Zusammenleben mit einem Partner kann regelmäßig entsprechend § 20 Abs. 3 SGB II mit 10 % geschätzt werden (vgl. BGH FamRZ 2010, 1535 ff. = juris Rz. 40 f.; Gerhardt, a.a.O., Rz. 110; Palandt/Brudermüller, BGB, 70. Aufl., § 1603 Rz. 20, 1581 Rz. 18). Eine weiter gehende Berücksichtigung einer Ersparnis kommt jedenfalls im VKH-Prüfungsverfahren nicht in Betracht, zumal dafür keine zureichenden Anhaltspunkte vorliegen. Für 2010 kann der Selbstbehalt somit um 90 EUR auf 810 EUR, für 2011 um 95 EUR auf 855 EUR reduziert werden.
Damit stehen für die Monate 8-12/10 je 668 EUR und ab 1/11 je 623 EUR für Unterhaltszwecke zur Verfügung. Bei einer Verteilung dieses Betrages auf die 3 gleichberechtigten Kinder ergibt sich für 2010 ein Deckungsgrad von 85,83 % und für 2011 von 79,77 %, woraus Zahlbeträge zugunsten der Antragsgegnerin von 286 EUR bzw. 266 EUR resultieren. Die VKH-Bewilligung lautet auf den für den Antragsteller günstigeren Betrag, da sich die Differenz gebührenmäßig ohnehin nicht auswirkt.
Die Zurechnung von fiktiven Einkünften aus einer Nebentätigkeit des Antragstellers kommt nicht in Betracht. Das BVerfG hat in der Entscheidung FamRZ 2003, 661 zu diesem Problemkreis u.a. ausgeführt: "Die Auferlegung von Unterhalts-leistungen schränkt den Verpflichteten in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit ein, die jedoch nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet ist, zu der auch das Unterhaltsrecht gehört, soweit dieses mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang steht (vgl. BVerfGE 57, 361 [378]). Dabei darf die Auslegung und Anwendung verfassungsgemäßer unterhaltsrechtlicher Normen nicht zu verfassungswidrigen Ergebnissen führen (vgl. BVerfGE 80, 286 [294]). Der ausgeurteilte Unterhalt darf den Unterhaltspflichtigen nicht unverhältnismäßig belasten (vgl. BVerfGE 57, 361 [388]; 80, 286 [293] unter Hinweis auf BVerfGE 35, 202 [221]). Wird die Grenze des Zumutbaren eines Unterhalt...