Leitsatz (amtlich)
Keine Mutwilligkeit bei Verfahrenskostenhilfeantrag für ein Abänderungsverfahren wegen Leistungsunfähigkeit trotz Versäumung der Einwendungsfrist im vereinfachten Unterhaltsverfahren.
Normenkette
FamFG § 252 Abs. 2-5; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Ludwigsburg (Beschluss vom 19.10.2020; Aktenzeichen 14 F 1160/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigsburg vom 19.10.2020 (Az. 14 F 1160/20) wie folgt abgeändert:
Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung Verfahrenskostenhilfe bewilligt (§ 113 Abs. 1 FamFG, §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO).
Rechtsanwalt ... wird als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.
Die Bewilligung erfolgt ohne Anordnung von Zahlungen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, außergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen beabsichtigten Abänderungsantrag auf Herabsetzung eines Titels über Kindesunterhalt.
Der Antragsteller ist der Vater des minderjährigen Kindes ..., geboren am .... Der Antragsteller ist gebürtiger Inder und verfügt weder über einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung. Im vereinfachten Unterhaltsverfahren, Az. 20 FH 20/19 hat das Amtsgericht Ludwigsburg am 20.03.2019 beschlossen, dass der Antragsteller verpflichtet sei, an die Antragsgegnerin ab dem 01.03.2019 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind zu bezahlen. Vorausgegangen waren diesem Verfahren Aufforderungen zur Auskunftserteilung über seine Einkünfte und sein Vermögen, denen der Antragsteller nicht nachkam. Die Antragsschrift wurde dem Antragsteller am 19.02.2019 zugestellt. Innerhalb der gesetzten Stellungnahmefrist von einem Monat brachte der Antragsteller keine Einwendungen vor. Die Zustellung des Beschlusses vom 20.03.2019 erfolgte ausweislich der in dem Verfahren 20 FH 20/19 vorliegenden Zustellungsurkunde am 23.03.2019.
Zur Begründung seines Abänderungsantrags brachte der Antragsteller vor, ohne Gefährdung seines eigenen Unterhalts zur Begleichung des titulierten Unterhalts nicht in der Lage zu sein. Er verfüge über ein durchschnittliches Nettoeinkommen in Höhe von 764,34 EUR. Nach Abzug der Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen verblieben ihm 726,12 EUR. Er sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, um eine "tatsächliche" Berufsausbildung erfolgreich abzuschließen. Er versuche jedoch bei seinem jetzigen Arbeitgeber eine mehrjährige Ausbildung als Koch zu absolvieren, welche mindestens noch bis in das Jahr 2024 andauern werde. Er könne deshalb überhaupt keine Unterhaltszahlungen für seine Tochter leisten und kündigte einen Antrag auf Abänderung des Unterhaltstitels insoweit an, dass ab dem 01.09.2020 kein Unterhalt mehr zu bezahlen sei und darüber hinaus die Zwangsvollstreckung aus dem Titel ab dem 01.09.2020 einzustellen sei.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag unter Verweis auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Antragstellers entgegengetreten.
Das Familiengericht hat mit dem angegriffenen Beschluss den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Der Antragsteller habe die Möglichkeit gehabt, sämtliche in der angekündigten Antragsschrift vorgebrachten Einwendungen gegen die Festsetzung des Mindestunterhalts spätestens im vereinfachten Unterhaltsverfahren vorzubringen. Dies habe er unterlassen. Dass er nun in einem neuen Verfahren vor dem Familiengericht die Abänderung des Unterhaltstitels beabsichtige, sei mutwillig. Dem Antragsteller sei die begehrte Verfahrenskostenhilfe darüber hinaus zu versagen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, die Herabsetzung des Unterhaltstitels dahingehend, dass er keinen Unterhalt mehr zahlen müsse, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Eine Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung unter den Mindestunterhalt komme nur in Betracht, wenn der Antragsteller substantiiert darlege, dass es ihm trotz Ausnutzung aller zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten nicht möglich sei, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften, um den Unterhalt bezahlen zu können. Vorliegend habe der Antragsteller nicht ausreichend vorgetragen und Beweis angeboten, um zu belegen, dass er alle Anstrengungen unternommen habe, die ihn im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit träfen. Gegenüber seiner minderjährigen Tochter treffe den Antragsteller die Obliegenheit zur gesteigerten Ausnutzung der Arbeitskraft. Der Unterhaltspflichtige habe zunächst grundsätzlich vollschichtig zu arbeiten. Bei einer vollschichtigen Tätigkeit sei eine 40-Stundenwoche zugrundezulegen. Im Rahmen seiner Obliegenheit zur gesteigerten Ausnutzung seiner Arbeitskraft könne der Unterhaltspflichtige gegenüber seinem Kind darüber hinaus auch gehalten sein, neben seiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit eine Ne...