Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist infolge der Übermittlung der richtig adressierten Berufung per Telefax an das Ausgangsgericht

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Versendung eines fristwahrenden Faxes muss die Büroorganisation sicherstellen, dass die Faxnummer des Empfängers zuverlässig ermittelt wird und überprüft werden kann; dabei darf sich der Anwalt auf gebräuchliche Verzeichnisse verlassen. Erkennbare Fehlerquellen sind auszuschalten. Es muss sichergestellt sein, dass die Nummer aus einem zuverlässigen Verzeichnis herausgesucht und nicht aus dem Gedächtnis abgerufen wurde. Erforderlich ist eine allgemeine Anweisung, die vollständige und richtige Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes anhand des Sendeprotokolls/Überprüfung der Empfängernummer nachzuvollziehen. Zu den anwaltlichen Pflichten im Rahmen der Büroorganisation gehört es zudem, dafür zu sorgen, dass Anweisungen ordnungsgemäß bekannt gemacht werden und sichergestellt ist, dass die Anweisungen eingehalten werden. Dazu können insbesondere eine stichpunktartige Kontrolle und eine Dokumentation der Erledigung gehören.

Es nicht hinreichend dargelegt, dass die Ausführung einer mündlichen Anweisung des Prozessbevollmächtigten - wonach alle fristgebundenen Schriftsätze ausnahmslos, wenn sie per Telefax versendet werden, mit der Telefaxnummer des Adressaten zu versehen seien, die sich aus der Akte und der darin enthaltenen, konkret mit dem Adressaten geführten Korrespondenz ergebe, und in den Fällen, in denen sich Schriftstücke des Adressaten, aus denen die Faxnummer unmittelbar hervorgeht, nicht in der Fallakte befinden, die Telefaxnummer über ein amtliches Verzeichnis zu ermitteln, und nach Versand eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax der zuständige Mitarbeiter zudem einen Abgleich vorzunehmen zwischen der immer auszudruckenden Sendebestätigung, der Faxrufnummer auf dem Schriftsatz und der sich aus der Akte ergebenden bzw. der ermittelten Faxnummer - auch im täglichen Betrieb sichergestellt ist. Insbesondere auch bei mündlichen Anweisungen ist den an eine Anwaltskanzlei zu stellenden Organisationsanforderungen nur dann Genüge getan, wenn Sorge dafür getragen ist, dass die Anweisung nicht in Vergessenheit gerät. Dass solche Maßnahmen getroffen wurden, hat der Prozessbevollmächtigte nicht dargelegt. Vorliegend kommt hinzu, dass für den Prozessbevollmächtigten ohne weiteres und rechtzeitig erkennbar war, dass seine Mitarbeiterin offenbar nicht die richtige Nummer herausgesucht hat bzw. sich nicht an seine Anweisungen gehalten hat.

 

Normenkette

ZPO § 233

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 10.10.2011; Aktenzeichen 9 O 429/10)

 

Tenor

1. Der Antrag des Beklagten vom 24.5.2012 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.10.2011 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 429/10 - wird als unzulässig verworfen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

 

Gründe

I. Die Parteien waren in der Form einer Partnerschaft gemeinsam als Architekten tätig. Sie streiten nunmehr über Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Beendigung der Partnerschaft entstanden sein sollen. Das LG hat durch Urt. v. 24.8.2011 - verkündet am 10.10.2011 - der Klage stattgegeben. Das Urteil ist beiden Parteien am 13.10.2011 zugestellt worden.

Gegen das Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14.11.2011 Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift wurde am Montag, den 14.11.2011, zunächst an das LG Bonn per Telefax übermittelt. Sowohl das Fax als auch das Original der Berufungsschrift sind am 16.11.2011 beim OLG eingegangen. Inhaltliche Ausführungen und Anträge enthält der knapp 2-seitige Schriftsatz nicht. Unterhalb der mit der zutreffenden Anschrift des OLG Köln versehenen Adresszeile befindet sich allerdings deutlich vom übrigen Text abgehoben der Zusatz: "Per Telefax vorab: 702 1600". Dabei handelt sich um eine Faxnummer des LG Bonn, die etwa im offiziellen Internetauftritt angegeben ist mit "0228/702-1600". Die Telefaxnummer des OLG Köln lautet "0221/7711-600". Die weiteren vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten in vorliegender Sache an das OLG versandten Schreiben enthalten jeweils den inhaltlich zutreffenden Zusatz "Per Telefax vorab: 0221/7711-600".

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist versäumt worden ist. Der Beklagte hat daraufhin die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt.

Hierzu hat er vorgetragen, es gebe seit 2002 eine mündliche Handlungsanweisung seines Prozessbevollmächtigten an seine Mitarbeiter. Diese sehe vor, dass alle fristgebundenen Schriftsätze ausnahmslos, wenn sie per Telefax versendet werden, mit der Telefaxnummer des Adressaten zu versehen seien, die sich aus der Akte und der darin enthaltenen, konkret mit dem Adressaten (Behörde oder jeweiliges Gericht) geführten Korrespondenz ergebe. In den Fällen, in denen sich...

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