Leitsatz (amtlich)
Zu den im Rahmen der Eröffnungsentscheidung nach § 203 StPO zu stellenden Anforderungen an den Tatnachweis einer individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei Massenverbrechen wie Erschießungen durch Soldaten der deutschen Wehrmacht während des 2. Weltkriegs - Massaker von Oradour-sur-Glane -.
Tenor
Die sofortigen Beschwerden werden als unbegründet verworfen.
Gründe
A.
Historischer Hintergrund des Verfahrens ist das von Soldaten der Deutschen Wehrmacht am 10. Juni 1944 in der Ortschaft Oradour-sur-Glane (im Folgenden: Oradour) in Frankreich an der Zivilbevölkerung verübte Massaker, dem 642 Menschen zum Opfer gefallen sind. Die Staatsanwaltschaft D. legt dem Angeschuldigten in der Anklageschrift vom 13.12.2013 Mord in mindestens 25 Fällen sowie Beihilfe zum Mord in mehreren 100 Fällen zur Last. Der Anklagevorwurf lautet - wörtlich - :
"Der Angeschuldigte war zur Tatzeit Angehöriger der 3. Kompanie des I./SS Pz.Gren.Rgt 4 "Der Führer". In den Vormittagsstunden des 10.06.1944 gab in dem Ort St. Junien/Frankreich der Bataillonskommandeur des I. Bataillons des I./SS-Pz.Gren.Rgt 4 "Der Führer", SS-Sturmbannführer D., an den Kompaniechef K. und die Zugführer der 3. Kompanie den Befehl, dass die in der Nähe liegende Ortschaft Oradour-sur-Glane / Frankreich als Sühnemaßnahme für die vermeintliche Entführung des Bataillonskommandeurs des 111. Bataillons des SS-Pz.Gren. Rgt. 4
"Der Führer" durch Partisanen sowie aus Gründen der Abschreckung vernichtet und alle Einwohner, vom Säugling bis zum Greis, getötet werden sollen. Gegen 13.00 Uhr war die Kompanie von St. Junien über St. Victurnien in Richtung Oradour-sur-Glane gefahren. Vor der Ortschaft hielt die Kolonne an und Diekmann rief K. sowie die Zugführer zu einer weiteren Besprechung zusammen. Unmittelbar im Anschluss an diese Besprechung durchquerten die Angehörigen des 1. Zuges der 3. Kompanie zunächst die Ortschaft aus Richtung des Flusses Glane, um den Ort anschließend von dort aus in Richtung des Flusses Glane in nördlicher und südlicher Richtung zu umstellen.
Einhergehend hiermit hatten die Angehörigen des 3. Zuges der 3. Kompanie den Auftrag, den Ort aus Richtung des Flusses Glane kommend ebenfalls in nördlicher und südlicher Richtung zu umstellen, um so die Absperrung um Oradour-sur-Glane zu schließen. Es bestand die Weisung, niemanden aus dem Ort heraus und niemanden in den Ort hineinzulassen. Zur Zusammentreibung der Bevölkerung und Durchsuchung der Häuser wurden in der Ortschaft Kräfte des 1. Zuges (Zugtrupp) unter der Führung des SS-Obersturmführers B. und des 2. Zuges (4., 5. und Aufklärungs- Gruppe) unter Führung des SS-Oberscharführers T. eingesetzt.
Der Angeschuldigte gehörte der 5. Gruppe des 2. Zuges an, deren Gruppenführer
SS-Unterscharführer S. war. S. gab dann an seine Gruppe folgenden Befehl: "Wir gehen nach Oradour rein. Wir holen die Frauen, die Kinder und die Männer aus den Häusern und treiben sie auf dem Marktplatz zusammen. Wenn ihr in die Häuser geht, wenn ihr ein Kind, einen Mann oder eine Frau seht oder jemand, der krank ist, dann tötet ihn direkt im Bett." Die 5. Gruppe des 2. Zuges ist im Anschluss daran geteilt worden. Der Angeschuldigte hat nach der Teilung der Gruppe dem Gruppenteil angehört, der von S. selbst geführt worden ist. Diese Teilgruppe näherte sich aus südlicher Richtung dem Ort und durchsuchte zunächst den Bauernhof Picat, um die Bewohner zum Marktplatz zu bringen. S. hat auf dem Hof eine 65 - 70 Jahre alte gehbehinderte Frau erschossen. Die übrigen Bewohner des Hofes wurden von dem Angeschuldigten und den Soldaten der Teilgruppe S. zusammengetrieben und zum Marktplatz verbracht. Im weiteren Einsatzverlauf ist die gesamte Bevölkerung auf dem Marktplatz des Ortes versammelt worden. Hier haben die Soldaten Frauen/Kinder und Männer voneinander getrennt. Mit der wahrheitswidrigen Begründung, den gesamten Ort nach Waffen durchsuchen zu wollen, sind einige Zeit später die Frauen und die Kinder von dem Marktplatz in die Kirche des Ortes gebracht worden, ehe die Männer im Folgenden in vier Gruppen mit mindestens 15-20 Personen aufgeteilt und von den jeweiligen Erschießungskommandos in vier Scheunen/Garagen des Ortes geführt worden sind.
Mit der Durchführung der Erschießungen in dem Weinlager "Denis" ist die 5. Gruppe des 2. Zuges unter dem Kommando von S. beauftragt worden. Vor den Scheunen stellten der Angeschuldigte als MG-Schütze 1 und der weitere MG-Schütze der Gruppe ihre Maschinengewehre auf und schossen nach einem Signal von K. auf die in der Scheune befindlichen mindestens 25 Männer, die nur zum Teil tödlich getroffen wurden. Anschließend schoss ein Angehöriger der Gruppe. mit einer Pistole auf noch lebende Opfer, die auch dadurch nur zum Teil tödlich getroffen worden sind. Anschließend steckten sie das Weinlager "Denis" in Brand, wodurch sofern zu diesem Zeitpunkt noch lebende Opfer in der Scheune getötet worden sind.
Im Anschluss daran begaben sich der Angeschuldigte und die übrigen Angehörigen der 5. ...