Entscheidungsstichwort (Thema)

Völliger Entzug der elterlichen Sorge bei Erziehungsungeeignetheit wegen Kindeswohlgefährdung

 

Leitsatz (amtlich)

Kann aufgrund des bisherigen Verhaltens der Kindeseltern nicht erwartet werden, dass diese verantwortungsbewusst in Abstimmung mit den staatlichen Stellen die für das Kind therapeutisch notwendigen Behandlungsmaßnahmen einleiten und unterstützen, um der bereits manifestierten Kindeswohlgefährdung, die Folge der zumindest teilweise festgestellten Erziehungsungeeignetheit der Kindeseltern ist, zu begegnen, muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass diese je nach Stimmungslage sich notwendigen therapeutischen und erzieherischen Maßnahmen, deren Erforderlichkeit sie - wenn auch möglicherweise unverschuldet - nicht erkennen, widersetzen und so den Behandlungserfolg extrem gefährden, kommt nur die völlige Entziehung der elterlichen Sorge und die Einrichtung der Vormundschaft durch das Jugendamt in Betracht, um der bereits bestehenden Kindeswohlgefährdung wirksam entgegenwirken zu können.

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 28.06.2012; Aktenzeichen 402 F 182/12)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den am 28.6.2012 erlassenen Beschluss des AG -Familiengericht- Bonn (402 F 182/12) wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Antragsgegner, ihnen für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird mangels der gem. § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die gem. §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 1, 57 Abs. 1 Satz 2 Nr. Nr. 1, 56 ff. FamFG zulässige - insbesondere frist und formgerecht eingelegte - Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht in der angefochtenen Entscheidung gem. §§ 1666, 1666a BGB im einstweiligen Anordnungsverfahren die elterliche Sorge wegen drohender Kindeswohlgefährdung bezüglich ihres Sohnes N vorläufig entzogen und auf das Jugendamt des T-Kreises in F als Vormund übertragen. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die eingehende und überzeugende Begründung des Familiengerichts in der angegriffenen Entscheidung, der im Hinblick auf die Beschwerdebegründung und die Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes und des Jugendamts C hierzu nur folgendes hinzuzufügen ist:

Auch der Senat ist der Überzeugung, dass nach dem derzeitigen Verfahrensstand der drohenden Kindeswohlgefährdung nach §§ 1666, 1666a BGB nur durch einen zunächst vorläufigen Entzug der elterliche Sorge begegnet werden kann.

Es kann nicht zweifelhaft sein, dass N in seiner Kind gerechten Entwicklung bereits derart gestört ist, dass wegen der schon eingetretenen sozialen und psychischen Deviation seine Herausnahme aus dem elterlichen Haushalt geboten ist. Im elterlichen Haushalt leben eine Vielzahl von Kindern, mit deren Erziehung die Antragsgegner überfordert scheinen. Die Antragsgegner und deren familiäre Verhältnisse sind dem Senat aus mehreren Verfahren bekannt. Wiederholt musste die eingeschränkte Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern festgestellt und die Herausnahme einzelner Kinder aus dem elterlichen Haushalt angeordnet werden. So fühlten sich die Antragsgegner auch mit Ns Erziehung überfordert und baten das Jugendamt um Erziehungshilfe. Auffällig wurde N u.a. durch Bettelei, strafwürdiges Verhalten gemeinsam mit einem Teil seiner Geschwister und Schulverweigerung. Schließlich war eine Beschulung von N aufgrund seines massiv aggressiven Verhaltens kaum noch möglich.

Diese Schwierigkeiten führten dann dazu, dass die überforderten Kindeseltern damit einverstanden waren, dass N aus der Familie genommen und fremd untergebracht wurde. Nach Vorschlag des Jugendamtes C wurde N im März 2011 in eine intensiv-pädagogische Maßnahme in N1/U (Fachpflegestelle) aufgenommen. Wegen der einvernehmlichen Regelung und der zunächst einsichtigen Haltung der Kindeseltern bedurfte es zum damaligen Zeitpunkt keiner weiter gehenden sorgerechtlichen Maßnahmen gegen die Kindeseltern.

Dies hat sich aber geändert, nachdem die Kindeseltern entgegen ihrem ursprünglichen Einverständnis nunmehr die sozialpädagogische Maßnahme der Unterbringung Ns in der Fachpflegestelle in N1 aus - wie der Senat aufgrund der gesamten Aktenlage überzeugt ist - fadenscheinigen Gründen hintertreiben und N nach einem Umgangskontakt in U heimlich mit nach Hause nahmen und dort einige Zeit versteckt hielten. Als Entschuldigung für ihr unangekündigtes, heimliches Verhalten führten sie an, dass N in der Fachpflegestelle misshandelt werde und Angst habe, dorthin zurückzukehren. Seine dortige Unterbringung sei kindeswohlgefährdend und daher nicht hinnehmbar.

Nach der Überzeugung des Senats erweisen sich die Vorwürfe gegen die Mitarbeiter der Fachpflegestelle aber als haltlos. Ns diesbezüglich gemachten Äußerungen erscheinen nicht glaubhaft. So fehlen bei N schon objektivierbare Spuren für mögliche Gewaltanwendungen. Zudem war N nicht in der Lage, die ursprünglich aufgestellten Vorwürfe bei seiner Anhörung durch die Familienrichter...

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