Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine Begründung eines Obhutsverhältnisses bei längerem Ferienaufenthalt des Kindes bei einem Elternteil
Leitsatz (amtlich)
1. Auch durch ein längeren Ferienaufenthalt des Kindes bei einem Elternteil wird ein Obhutsverhältnis i.S.v. § 1629 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht begründet. Vielmehr behält der andere Elternteil, bei dem das Kind in der übrigen Zeit seinen Lebensmittelpunkt hat, die Obhut und damit das Recht, Unterhaltsansprüche des Kindes geltend zu machen.
2. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Unterhaltsanspruch des Kindes dadurch - ganz oder teilweise - entfällt, dass der Elternteil, bei dem sich das Kind während der Ferien aufhält, den Bedarf des Kindes durch eigene Mittel deckt. Insoweit ist an eine von den übrigen Zeiträumen abweichende Bestimmung über die Art der Unterhaltsgewährung gem. § 1612 Abs. 3 Nr. 1 BGB zu denken.
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 3 Nrn. 1-2, Abs. 2 Nr. 2, § 1612 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Euskirchen (Beschluss vom 22.06.2004; Aktenzeichen 18 F 93/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Prozesskostenhilfe verweigernde Beschluss des AG - FamG - Euskirchen v. 22.6.2004 - 18 F 93/03 - teilweise abgeändert.
Dem Beklagten wird ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er Klageabweisung hinsichtlich des Unterhalts für die Monate November und Dezember 2002, Januar 2003 sowie August 2004 erstrebt.
Die Entscheidung über die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe bleibt dem AG vorbehalten.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdegebühr wird um die Hälfte ermäßigt.
Gründe
I. Die Parteien sind seit dem 2.7.2004 rechtskräftig geschiedene Eheleute und die Eltern des am 26.10.1988 geborenen Kindes S., das sich in der Obhut seiner Mutter - der Klägerin - befindet und von dieser betreut wird. Unter dem 4.2.2003 hat die Klägerin eine Klage gegen den in Thüringen lebenden Beklagten auf Zahlung von Kindesunterhalt für S. für die Zeit ab November 2002 i.H.v. monatlich 287 EUR eingereicht. Die Klageschrift ist dem Beklagten mit Verfügung vom 11.2.2003 zur Stellungnahme im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren übersandt worden, die förmliche Zustellung ist im März 2004 erfolgt.
Der am 20.1.1957 geborene Beklagte bezieht eine Unfallrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 %, die auf einem 1994 erlittenen Arbeitsunfall beruht. Zu Beginn des hier streitigen Unterhaltszeitraumes war der Beklagte bis zum 30.11.2002 in einem auf 4 Monate befristeten Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Strukturanpassungsmaßnahme als Sanierungsarbeiter bei einem Containerdienst beschäftigt, sein Bruttolohn belief sich auf 1.000 EUR monatlich. Seitdem ist der Beklagte - wie auch schon längere Zeit vor dem befristeten Arbeitsverhältnis - arbeitslos und bezieht Arbeitslosenhilfe.
Er hat sich damit verteidigt, ein in der Klageschrift erwähntes vorgerichtliches Schreiben der Klägerin mit der Aufforderung zur Auskunftserteilung über seine Einkünfte nicht erhalten zu haben, im Übrigen hat er mangelnde Leistungsfähigkeit eingewandt.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde hat das AG nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Der zuständige Einzelrichter hat die Entscheidung dem Senat als Kollegialgericht übertragen. Im Beschwerdeverfahren macht der Beklagte zusätzlich teilweise Verwirkung des Unterhaltsanspruchs geltend, außerdem rügt er, dass die Klage nach Rechtskraft der Scheidung im Juli 2004 nicht länger von der Mutter der Klägerin in Prozessstandschaft geführt werden könne. Darüber hinaus sei der Unterhaltsanspruch für den Zeitraum vom 24. Juli bis zum 4.9.2004 jedenfalls deshalb entfallen, weil er - der Beklagte - in dieser Zeit das Kind betreut habe.
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die formell unbedenkliche Beschwerde hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klägerin trotz zwischenzeitlich erfolgter rechtskräftiger Scheidung berechtigt, den zuvor begonnenen Unterhaltsprozess im eigenen Namen weiterzuführen. Denn die gesetzliche Prozessstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Nr. 1 BGB dauert über die Rechtskraft der Scheidung hinaus bis zum Abschluss des Unterhaltsprozesses fort (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl. 2004, § 1629 Rz. 34; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl. 2003, § 1629 Rz. 11).
2. Soweit es um die Monate November 2002 bis Januar 2003 geht, hat die Rechtsverteidigung des Beklagten Aussicht auf Erfolg. Denn insoweit fehlt es nach dem bisherigen Sach- und Streitstand an den Voraussetzungen des § 1613 BGB für die Geltendmachung rückständigen Unterhalts. Der Beklagte beruft sich darauf, das mit der Klageschrift vorgelegte außerger...