Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeld: Verspätungsschaden wegen Verpassen eines Anschlussfluges
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch des Fluggastes auf Zahlung eines Ausgleichbetrages in entsprechender Anwendung von Art 7 Abs. 1 FluggastrechteVO wegen Verspätung eines Fluges kommt nur in Betracht, wenn die Verspätung mehr als drei Stunden betragen hat. Wenn der Fluggast infolge der Verspätung einen Anschlussflug verpasst hat, kann im Hinblick auf das Überschreiten der genannten Erheblichkeitsgrenze auf den Zeitpunkt der Ankunft am Zielort des Anschlussfluges abzustellen sein. Beträgt die Verspätung danach mehr als drei Stunden, kann der Fluggast eine Ausgleichzahlung allerdings nur dann beanspruchen, wenn er den Anschlussflug bei demselben Luftfahrtunternehmen ("ausführendes Unternehmen" gem. Art. 2b) FluggastrechteVO) gebucht hatte.
Normenkette
BGB §§ 823, 254; FluggastrechteVO Art. 5-6, 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 16 O 43/10) |
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen und sich zur etwaigen Rücknahme der Berufung zu erklären.
Gründe
I. Der Kläger macht aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht seiner Mitreisenden H. und T. Schmerzensgeldansprüche sowie Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verspätung eines Fluges geltend. Der Kläger hatte bei der ehemaligen Mitbeklagten, der U. D. GmbH, gegen die das Verfahren abgetrennt worden ist, über Weihnachten 2007 eine Pauschalreise nach N. gebucht. Der Hinflug sollte am 18.12.2007 von Hamburg über G. nach N. erfolgen, wobei der Flug I.-G. von der Beklagten ausgeführt wurde. Der Anschlussflug G.-N. sollte mit der E. GmbH erfolgen. Wegen einer eineinhalbstündigen Verspätung des Hinfluges haben der Kläger und seine beiden Begleiterinnen den Anschlussflug nach N. verpasst und sind erst am Folgetag (über B.) mit L-Airlines über O. nach N. geflogen.
Der Kläger behauptet, er sei während des Zwischenaufenthaltes in G. von Bediensteten der Beklagten nicht vertragsgerecht beraten und versorgt worden. U.a. habe er - infolge der Hetze auf dem Flughafen völlig durchgeschwitzt - bei Minustemperaturen ca. eine halbe Stunde vor dem Flughafengebäude auf den Shuttle-Bus warten müssen. Deswegen und wegen der nicht auszuschaltenden Klimaanlage auf dem Weiterflug nach L. habe er eine Lungenentzündung erlitten, wodurch er im Urlaub bettlägerig gewesen sei. Weiter behauptet er, dass er und seine Begleiterinnen aufgrund des Verlustes des Gepäcks für die Anschaffung von Ersatzkleidung und Hygieneartikel 637,89 EUR aufgewendet hätten. Zudem stehe ihm wegen der Verspätung des Gepäcks ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 150 EUR zu. Schließlich macht er auf der Grundlage Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (im Folgenden: Fluggastrechteverordnung) einen Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichsbetrages i.H.v. 600 EUR/Person (= 1.800 EUR) geltend.
Das LG hat die Klage durch Urteil vom 16.2.2011, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, insgesamt abgewiesen. Hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruches hat es offengelassen, ob der Beklagten ein Verschulden anzulasten sei. Jedenfalls habe der Kläger in erheblichem Maße diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens aufzuwenden pflegt. Aus diesem Grunde sei ein eventueller Schmerzensgeldanspruch jedenfalls gem. § 254 BGB ausgeschlossen. Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz auf der Grundlage des Montrealer Übereinkommens (MÜK) hat die Kammer aus rechtlichen Gründen ebenso wie die begehrte Ausgleichszahlung abgelehnt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Zahlungsansprüche in vollem Umfang weiter verfolgt. Er rügt Rechtsverletzungen der angefochtenen Entscheidung und hegt Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung. So habe das LG nicht berücksichtigt, dass er und seine Begleiterinnen sich entsprechend der Anweisung des Piloten der Beklagten bzw. der Mitarbeiter verhalten hätten. Daher sei große Eile geboten gewesen, um den Anschlussflug im G. Flughafen zu erreichen. Entgegen der Auffassung des LG sei es sehr wohl veranlasst gewesen, außerhalb des Flughafengebäudes auf den Shuttle-Bus zu warten, denn die Haltestelle sei vom Inneren des Gebäudes nicht zu sehen gewesen. Insoweit habe das LG einen entsprechenden Beweisantritt übergangen. Auch sei es ihm nicht möglich gewesen, während des fünfstündigen Hotelaufenthalts vor Antritt des Anschlussfluges nach N. seine Kleidungss...