Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 37 OH 13/20) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde vom 11.12.2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 30.000.000,00 EUR
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien waren werkvertraglich verbunden. Die Antragsgegnerin war von der Antragstellerin beauftragt worden, zwischen A und B eine neue Autobahnbrücke als Ersatz für die dort bestehende zu bauen. Nach Meinungsverschiedenheiten über die Qualität des Stahls, den die Antragsgegnerin dort verbauen wollte, wurde der Vertrag von der Antragstellerin gekündigt. In Ziff. 2.3.6 ZTV-ING, Teil 1, Abschnitt 1, hatten die Parteien eine Schiedsgutachtervereinbarung gemäß § 18 Abs. 4 VOB/B getroffen. Demgemäß hatte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16. April 2020 ein derartiges Verfahren eingeleitet. Unter dem 27. April 2020 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens beim LG Köln gestellt und beantragt, der Antragsgegnerin gemäß § 144 Abs. 1 ZPO aufzugeben, jegliche die Beweiserhebung erschwerende Handlungen zu unterlassen. Während die Antragstellerin ihre Vorgehensweise für rechtlich unbedenklich hält, ist die Antragsgegnerin der Auffassung, die Schiedsgutachtervereinbarung sei vorgreiflich, so dass der Antrag bezüglich des selbstständigen Beweisverfahrens als unzulässig zurückzuweisen sei.
Das Landgericht ist dem Begehren der Antragsgegnerin nachgekommen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle auf Seiten der Antragstellerin an einem rechtlichen Interesse, weil weder die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen könne noch ein im Rahmen dessen erstelltes Sachverständigengutachten in einem Hauptsacheverfahren Bedeutung haben könne. Dies deshalb nicht, weil die Parteien eine Schiedsgutachterklausel vereinbart hätten und die Antragsgegnerin zurzeit der Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens einen Schiedsgutachter bereits beauftragt gehabt habe. Zudem sei nicht ersichtlich, was für ein Mehrwert einem selbstständigen Beweisverfahren gegenüber einem Schiedsgutachterverfahren zukommen könnte. Insbesondere sei auch nicht zu besorgen, dass Beweismittel verloren gehen könnten. Schließlich komme auch eine Anordnung gemäß § 144 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.
Hiergegen richtet sich die Antragstellerin mit ihrem Rechtsmittel. Sie meint, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens seitens der Antragsgegnerin ein Schiedsgutachter bereits beauftragt gewesen sei. Zudem gingen die von ihr für das selbstständige Beweisverfahren formulierten Beweisfragen über dasjenige hinaus, was ein Schiedsgutachter zu untersuchen hätte. Denn im Rahmen des § 18 Abs. 4 VOB/B gehe es lediglich um Meinungsverschiedenheiten über die Eigenschaft von Stoffen und Bauteilen. Angesichts dieses begrenzten Verfahrensrahmens entfalle die Sperrwirkung der Schiedsgutachterabrede. Deshalb sei der von ihr gestellte Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens zulässig.
Die Antragsgegnerin verteidigt die landgerichtliche Entscheidung als zutreffend.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 ff. ZPO statthaft und auch ansonsten unbedenklich zulässig. In der Sache selbst hat sie keinen Erfolg. Jedenfalls im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht zu seiner Entscheidung gelangt, dass der Antrag der Antragstellerin auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens unzulässig ist.
1. Es fehlt am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, § 485 Abs. 2 ZPO, da ein in einem selbstständigen Beweisverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren nicht verwertbar wäre.
a) Dabei folgt der Senat anders als das Landgericht der Rechtsansicht, dass dann, wenn die Parteien - so wie hier - eine Schiedsgutachtenklausel in den Vertrag aufgenommen haben, die vorherige oder parallele Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens grundsätzlich unzulässig ist (OLG Bremen NJW-RR 2009, 1294; OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 1537; OLG Düsseldorf BauR 1998, 1111; OLG Köln (19. ZS) BauR 2018, 870; LG Berlin IBR 2011, 497; LG München I IBR 2008, 486; Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB, 21. Aufl., § 18 Abs. 3 VOB/B, Rn. 7; Anh 2 Rn. 58; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 17. Aufl., § 485 Rn. 14; Schreiber, in: MK-ZPO, 6. Aufl., § 485 Rn. 16; Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 40. Aufl., § 485 Rn. 7a; Weise NJW-spezial 2015, 684; Werner/Pastor/Frechen, Der Bauprozess, 17. Aufl., Rn. 67; Werner/Pastor/Heinzerling, Rn. 501; Zanner BauR 1998, 1154, 1156; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 485 Rn. 7a; a. A. OLG Koblenz EWiR 1999, 235; OLG Karlsruhe BauR 2016, 1962; OLG Köln (20. ZS) IBR 1999, 289; von Bermuth EWiR 1999, 235). Es kommt nicht darauf an, ob zeitlich früher eine der Parteien das Schiedsgutachterverfahren eingeleitet ...