Entscheidungsstichwort (Thema)
Lagerungsschaden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Grundsätze des voll beherrschbaren Risikobereichs gelten bei der Lagerung eines Patienten nur, wenn aufgrund medizinischer Feststellungen gewährleistet ist, dass bei der Art der Lagerung und der Konstitution des Patienten alle Risikofaktoren ärztlicherseits eingeplant und ausgeschaltet werden können.
2. Hinsichtlich der Einzelheiten der Lagerung und ihrer Kontrolle besteht regelmäßig keine detaillierte Dokumentationspflicht.
3. Zur Frage des Entscheidungskonfliktes bei laparoskopischer roboterassistierter Bauch-Operation.
Normenkette
BGB §§ 280, 611, 823; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 03.09.2014; Aktenzeichen 25 O 300/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 3.9.2014 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 300/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Die am XX. XX. 1969 geborene Klägerin litt im Jahr 2008 an starken Schmerzen während der Menstruation. Eine wegen Verdachts auf einen Uterus myomatosus durchgeführte Computertomografie zeigte mehrere subseröse Myome und ein großes dorsales Myom. Auf Überweisung ihres Frauenarztes stellte die Klägerin sich ab dem 21.11.2008 mehrfach ambulant im Klinikum der Beklagten vor. Am 25.11.2008 unterzeichnete sie nach einem mit dem Arzt Dr. E geführten Gespräch einen proCompliance-Aufklärungsbogen über eine Operation zur Entfernung von Myomen. Am 12.12.2008 unterschrieben sie und der Arzt Dr. S einen Aufklärungsbogen zur Anästhesie Erwachsener. Am 15.12.2008 erfolgte zwischen 9.01 Uhr (Schnitt) und 14.01 Uhr (Naht) eine laparoskopische, roboterassistierte Myomenucleation. Die Anästhesie führten die Ärzte S und T aus. Der Arzt Dr. E war als Assistent an der Operation beteiligt. Ausweislich des Operationsberichts wurde die Klägerin in Steinschnittlage (SSL) und sodann in Trendelburg-Lage gelagert. Im Aufwachraum hatte sie Schmerzen im linken Unterarm und konnte die Faust nicht schließen. Ein noch am Operationstag durchgeführtes neurologisches Konsil ergab den Verdacht auf eine Läsion des N. radialis. Bei gebesserter Symptomatik wurde die Klägerin am 23.12.2008 entlassen.
Die Klägerin hat die Beklagte mit der Begründung, dass sie fehlerhaft gelagert worden sei, auf ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000 EUR, Erstattung von Verdienstausfall von 1.166 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen. Sie habe vier Monate lang an starken Schmerzen gelitten und sei bis zum 19.4.2009 arbeitsunfähig gewesen. Bei Erhebung der Klage hätten trotz deutlicher Besserung noch Beeinträchtigungen bestanden. Über die Risiken der Anästhesie sei sie nicht aufgeklärt worden.
Das LG hat ein neurologisches Gutachten von Prof. Dr. T2 (Bl. 58 ff. d.A.) nebst Ergänzung (Bl. 99 ff. d.A.) sowie ein anästhesiologisches Gutachten von Prof. Dr. S2 eingeholt (Bl. 120 ff. d.A.). In der mündlichen Verhandlung (Bl. 185 ff. d.A.) hat es den Sachverständigen Prof. Dr. S2 angehört, die Ärzte S, T, Dr. E und Dr. S und die Krankenschwester S3 als Zeugen vernommen und die Klägerin angehört.
Daraufhin hat es die Klage abgewiesen. Zwar habe die Klägerin eine lagerungsbedingte Armplexusläsion C5 - C7 mit besonderer Beteiligung des N. radialis erlitten. Sie habe aber nicht bewiesen, dass sie während des Eingriffs fehlerhaft gelagert worden sei. Die von den Zeugen bekundete Lagerung, wie sie im Klinikum der Beklagten üblicherweise bei entsprechenden Eingriffen erfolge, sei nicht zu beanstanden. Beweiserleichterungen kämen der Klägerin weder wegen eines Dokumentationsmangels noch nach den Grundsätzen des voll beherrschbaren Risikos zu Gute. Einzelheiten der Lagerung seien nicht dokumentationspflichtig. In seltenen Fällen könne es trotz fachgerechter Lagerung zu den bei der Klägerin aufgetretenen Komplikationen kommen, ohne dass die Ursachen hierfür geklärt werden könnten. Ob die Klägerin über das Risiko eines Nervenschadens infolge der Lagerung aufgeklärt worden sei und ob sie über eine Verlängerung der Operationsdauer, eine damit verbundene Erhöhung des Risikos von Lagerschäden und alternative Operationsmethoden habe aufgeklärt werden müssen, könne dahinstehen. Jedenfalls habe die Klägerin einen Entscheidungskonflikt nicht plausibel gemacht. Die Angabe, dass sie sich bei einer Aufklärung über die Erhöhung des Risikos einer Nervenverletzung infolge der langen Operationsdauer nicht für die streitgegenständliche Operation entschieden hätte, sondern für eine zeitlich kürzere offene Operation mit Bauchschnitt, sei nicht nachvollziehbar. Die offene Operation habe bekanntermaßen eine Reihe von gravi...