Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten gegenüber minderjährigen Kindern
Leitsatz (redaktionell)
Ein gegenüber einem minderjährigen Kind Unterhaltsverpflichteter kann sich nicht darauf berufen, wegen der Betreuung eines 12-jährigen Kindes aus einer anderen Beziehung nicht dazu in der Lage zu sein, eine Halbtagstätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit auszuweiten. Er ist gehalten, den Notunterhalt in Form des Regelbetrages der Regelbetragsverordnung sicherzustellen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 27.09.2004; Aktenzeichen 45 F 170/04 (PKH)) |
Tenor
Die am 12.10.2004 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten vom 8.10.2004 gegen den am 1.10.2004 zugestellten, ihren Prozesskostenhilfeantrag zurückweisenden Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 27.9.2004 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und in formeller Hinsicht bedenkenfreie sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Das AG hat zu Recht entschieden, dass die Rechtsverteidigung der Beklagten gegen die Unterhaltsklage ihres minderjährigen Kindes ... auf monatliche Zahlung des Regelbetrages nach der Regelbetragverordnung keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO hat.
Die Beklagte ist gem. § 1603 Abs. 2 BGB verpflichtet, "alle verfügbaren Mittel" zum Unterhalt des jetzt 9-jährigen Klägers zu verwenden, wozu neben Erwerbs- und sonstigen Einkünften auch die gesteigerte Ausnutzung ihrer Arbeitskraft gehört (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 147a, 614). Sie kann sich, wie das AG zu Recht ausgeführt hat, nicht darauf berufen, dass sie wegen der Betreuung des 12-jährigen Kindes ... aus einer anderen Beziehung nicht in der Lage sei, ihre derzeitige Halbtagstätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit auszuweiten. Ihre Erwerbsobliegenheit gegenüber dem minderjährigen Kläger ist wegen dieses Umstands grundsätzlich nicht eingeschränkt. Die Beklagte ist jedenfalls gehalten, den Notunterhalt in Form des Regelbetrages nach der Regelbetragverordnung, der nicht einmal das Existenzminimum des Kindes abdeckt, sicherzustellen. Zu diesem Zweck hat sie dafür zu sorgen, dass der bei ihr lebende Sohn ... in den Zeiten, in denen sie einer Vollerwerbstätigkeit nachgeht, durch Dritte oder durch entsprechende Einrichtungen, etwa durch einen Hort, betreut wird (Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 315; mit Bezug auf OLG Hamm v. 3.5.2002 - 13 UF 118/01, FamRZ 2003, 179, Rz. 166; mit Bezug auf BGH FamRZ 1982, 25 f.). Nur in Ausnahmefällen kann die Obliegenheit zur vollen Erwerbstätigkeit eingeschränkt sein, etwa dann, wenn eine Fremdbetreuung auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs schlechterdings nicht möglich ist oder das zu betreuende Kind aufgrund seines Alters (Säugling oder Kleinkind) oder einer Krankheit bzw. Behinderung in gesteigertem Maße betreuungsbedürftig ist (Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 315; mit Bezug auf OLG Düsseldorf v. 7.7.1995 - 6 UF 117/94, OLGReport Düsseldorf 1995, 288 = FamRZ 1996, 167). Dass derartige Ausnahmetatbestände hier vorliegen, hat die für ihre Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht vorgetragen (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast Wendl/Staudigl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 565). Ebenso wenig hat sie dargelegt, dass sie aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, durch eine Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit, notfalls auch durch Übernahme einer weiteren Teilzeittätigkeit, den Notunterhalt des Klägers sicherzustellen.
Da nach alledem für die Rechtsverteidigung der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit keine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, da Kosten nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Beschwerdegebühr: 50 EUR (Kostenverzeichnis Nr. 1811 zum GKG n.F.).
Fundstellen