Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsamer Rechtsanwalt von Streitgenossen mit unterschiedlichem Erfolg und verschiedenen Streitgegenständen
Leitsatz (amtlich)
1. An der Gegenstandsgleichheit im Sinne von Nr. 1008 Abs. 1 VV zum RVG fehlt es, wenn ein gegen mehrere Personen gerichtetes Rechtschutzbegehren jeden Gegner selbständig betreffende Leistungen umfasst, die jeder nur für sich erfüllen kann. Dann werden die Werte gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammengerechnet.
2. Eine obsiegende Partei, die zusammen mit einem weiteren, im Prozess überwiegend unterlegenen Streitgenossen durch einen gemeinschaftlichen Anwalt vertreten war, kann grundsätzlich nur den ihrer Beteiligung am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteil der Anwaltskosten von dem Prozessgegner erstattet verlangen (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 11.5.2006 - V ZB 73/05 -, FamRZ 2006, 1028 m.w.N.).
Eine Aufteilung der Gesamtkosten des gemeinsamen Rechtsanwalts nach Kopfteilen kommt insbesondere bei ganz erheblichen Wertunterschieden zwischen den Gegenständen der beiden Streitgenossen (hier: 300 EUR zu 180.361.03 EUR) keinesfalls in Betracht. Die Höchstgrenze in § 7 Abs. 2 Satz 1 HS 1 RVG ist grundsätzlich zu beachten.
Normenkette
RVG § 7 Abs. 2, § 22 Abs. 1; RVG-VV Nr. 1008
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 24.09.2014; Aktenzeichen 8 O 297/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger vom 1.10.2014 werden der Nichtabhilfebeschluss des LG Köln vom 8.1.2015 nebst der Vorlageverfügung vom selben Tag sowie die Kostenfestsetzungsbeschlüsse Nr. 3 bis Nr. 5 vom 24.9.2014 - 8 O 297/11 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Die beiden Kläger machen gegen die Beklagte zu 1. Ansprüche auf Schadensersatz und verschiedene Leistungen aus einem notariellen Bauträgerkaufvertrag geltend, wobei die verschiedenen Ansprüche teilweise von der Klägerin zu 1. alleine (5 Klageanträge) und teilweise von beiden (weitere 5 Klageanträge) beansprucht werden. Weiterhin beantragt die Klägerin zu 1., die Beklagte zu 2. zur Herausgabe von Installationsplänen zu verurteilen; insoweit hat das LG den Streitwert auf 300 EUR, für die übrigen Klageanträge auf insgesamt 177.301,53 EUR und die Widerklage, die nur von der Beklagten zu 1. gegen beide Kläger erhoben worden ist, auf 2.759,50 EUR festgesetzt (266R und 120 GA). Die Klage der Klägerin zu 1. gegen den Beklagten zu 2. ist abgewiesen, den übrigen Klageanträgen gegen die Beklagte zu 1. unter Teilklageabweisung (auch der Widerklage) überwiegend stattgegeben worden.
Die Kostenentscheidung lautet dahin, dass
- die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. der Klägerin zu 1. zu 9,5 %, dem Kläger zu 2. zu 4,5 % und der Beklagten zu 1. (selbst) zu 86 % auferlegt werden sowie
- die außergerichtlichen Kosten
der Klägerin zu 1. von der Beklagten zu 1. zu 86 %,
des Klägers zu 2. von der Beklagten zu 1. zu 90 % und
des Beklagten zu 2. von der Klägerin zu 1.
zu tragen sind.
Beide Parteien haben nach einem (Gesamt-) Gegenstandswert von 180.361,03 EUR jeweils unter Erhöhung der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV zum RVG) gem. Nr. 1008 VV zum RVG Rechtsanwaltskosten i.H.v. 4.889,20 EUR netto, die Kläger zzgl. Umsatzsteuer 5.818,15 EUR zur Kostenfestsetzung angemeldet (284 + 299 GA).
Der zuständige Rechtspfleger des LG hat die angemeldeten Kosten jeweils zur Hälfte auf die beiden Kläger bzw. die beiden Beklagten aufgeteilt und danach die Kostenausgleichung vorgenommen. Auf die 5 Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 24.9.2014 (302, 304, 306, 308 und 310 GA) wird verwiesen.
Gegen alle 5 Kostenfestsetzungsbeschlüsse haben - nur - die Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, weil die Gebühr gem. Nr. 1008 VV zum RVG nicht angefallen sei und der Beklagte zu 2. nach der Rechtsprechung des BGH - VIII ZB 100/02 - nur einen seiner wertmäßigen Beteiligung entsprechenden Bruchteil an den Kosten des gemeinsamen Anwalts erstattet verlangen könne.
Der Rechtspfleger hat die Kostenfestsetzungsbeschlüsse Nr. 1 und Nr. 2 dahin berichtigt, dass dort die Kosten der jeweiligen Kläger - und nicht wie zuvor der jeweiligen Beklagten - zur Hälfte aufgeteilt worden sind, und den Beschwerden im Übrigen nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die unterschiedlichen Streitwert-Beteiligungen der Parteien an dem Rechtstreit seien bereits in dem Urteilstenor berücksichtigt worden; die Kostenfestsetzungen seien "nur schlüssiges Folgerecht". Die Widerklage habe keine höheren Gebühren ausgelöst, so dass es bei der Halbierung der Kosten auf Gläubigerseite zu verbleiben habe.
II. Die gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 RPflG statthaften und auch ansonsten verfahrensrechtlich zulässigen sofortigen Beschwerden, mit der die Kläger die Verteilung der Rechtsanwaltskosten auf die beiden Beklagten, genauer die Aufteilung nach Kopfteilen anstatt nach der (streit-) wertmäßigen Beteiligung, sowie die Anerkennung einer Gebühr gem. Nr. 1008 VV zum RVG im Festsetzungsantrag der Beklagten beanstanden, haben in ...