Leitsatz (amtlich)
Ein "Riestervertrag" ist nicht schon deshalb nach § 27 VersAusglG vom Versorgungsausgleich auszunehmen, weil dieser nach dem Willen der Eheleute der Absicherung der - ein behindertes Kind betreuenden - Ehefrau dienen sollte. Die finanzielle Belastung beider Partner in der Ehezeit durch Verkürzung des der Familie zur Verfügung stehenden Resteinkommens aufgrund des Ansparens traf beide Eheleute; hätten diese umgekehrt auf den Abschluss eines Vertrages verzichtet, hätten beide in der Ehezeit mehr Geld, aber im Zeitpunkt der Scheidung keinerlei Anrechte erhalten. Die gemeinsame Entscheidung zugunsten einer Absicherung um den Preis einer solchen finanziellen Mehrbelastung muss daher auch hinsichtlich der erworbenen Anrechte beiden Ehepartnern gleichermaßen zugutekommen.
Verfahrensgang
AG Eschweiler (Aktenzeichen 12 F 14/17) |
Tenor
1. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C bewilligt. Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wird die ratenweise Zahlung der Verfahrenskosten, zahlbar in maximal 48 Monatsraten in Höhe von 31,00 EUR, beginnend mit dem 01.05.2018, angeordnet. Sollten sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ändern, kann dieser Beschluss gemäß § 76 Abs. 1 FamFG, § 120a ZPO abgeändert werden.
2. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
3. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 11.10.2017 - 12 F 14/17 - im schriftlichen Verfahren als unbegründet zurückzuweisen.
4. Die Antragsgegnerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang des Beschlusses.
Gründe
I. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Antragsgegnerin kommt nicht in Betracht, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat, § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Satz 1 ZPO.
Die Beschwerde ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Gründe, nach § 27 VersAusglG den Versorgungsausgleich hinsichtlich des Riestervertrages wegen grober Unbilligkeit auszuschließen, liegen auch nach Auffassung des Senates selbst dann nicht vor, wenn man das - in Details streitige - Vorbringen der Antragsgegnerin als richtig unterstellt.
Im Einzelnen:
1. Eine grobe Unbilligkeit ist zu bejahen, wenn eine umfassende Abwägung der maßgebenden Umstände es rechtfertigt, vom Halbteilungsgrundsatz abzuweichen. Die Vorschrift erlaubt also eine Korrektur, wenn die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zu untragbar ungerechten und nicht erträglichen Ergebnissen führen würde. Dadurch können Grundrechtsverletzungen in den Fällen vermieden werden, in denen ein Ausgleich sämtlicher oder einzelner Anrechte der Parteien im Einzelfall mit der bisherigen oder fortwirkenden Lebensgemeinschaft der Eheleute nicht zu rechtfertigen ist (BT-Drs. 16/10144, S. 67 unter Hinweis auf BGH, Beschl. v. 21.03.1979 - IV ZB 142/78, FamRZ 1979, 477; BVerfG, Urt. v. 28.02.1980 - 1 BvL 17/77, FamRZ 1980, 326; BVerfG, Beschl. v. 20.05.2003 - 1 BvR 237/97, FamRZ 2003, 1173). Hierbei bleibt es aber dabei, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Regelfall und ein - wenn auch nur teilweiser - Ausschluss des Ausgleichs die krasse Ausnahme ist. Das wird durch den Wortlaut des § 27 VersAusglG ("ausnahmsweise") besonders betont. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass fast jeder Versorgungsausgleich für den Ausgleichspflichtigen eine wirtschaftliche Härte darstellt; das alleine reicht für einen Ausschluss unter Billigkeitsgesichtspunkten aber gerade nicht aus (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann-Breuers, jurisPK-BGB, 8. Aufl. (2017), § 27 VersAusglG, Rn. 3).
2. Eine grobe Unbilligkeit kann allerdings dann im Einzelfall in Betracht kommen, wenn nicht nur der Ausgleichsberechtigte über Einkünfte oder Vermögen verfügt, wodurch seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, sondern außerdem der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (BGH, Beschl. v. 25.02.2005 - XII ZB 135/02, FamRZ 2005, 1238, 1239). Allerdings reicht hierfür das reine Vorbringen, man sei wirtschaftlich auf die ungekürzte Altersversorgung angewiesen, regelmäßig selbst dann nicht aus, wenn nach Durchführung des Versorgungsausgleichs verstärkt Leistungen der Sozialhilfe erforderlich werden (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 07.07.2014 - 10 UF 207/13, FamRZ 2015, 930). Vorliegend indes ist die Antragsgegnerin, die 7,1650 Entgeltpunkte abgibt und vom Antragsteller lediglich 3,0559 erhält, zwar durch den Ausgleich schlechter gestellt, steht aber auch nach Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich ihrer Altersversorgung immer noch besser da als der Antragsteller selbst. Eine wirtschaftlich grob unbillige Ungleichgewichtigkeit liegt mithin nicht vor.
3. Eine Beschränkung des...