Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 28 O 299/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 12.04.2023 (28 O 299/22) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das vorbezeichnete Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten vorliegend um Ansprüche der Beklagten wegen einer Internetberichterstattung der Klägerin vom 22.07.2022 (Anlage K 1, Bl. 11 f. d.A.) über einen vermeintlichen Vorfall mit islamistischem Hintergrund am Düsseldorfer Flughafen unter Beteiligung der Beklagten, zu dem seinerzeit ein Video in sog. sozialen Netzwerken verbreitet worden war (Anlage WK4, abgelegt zu Bl. 115.X d.A., Screenshot Anlage WK5, Bl. 115.Y. ff. d.A.) und über den u.a. "BILD" zuvor mit nicht oder nicht ausreichend verpixelten bzw. mit sog. Augenbalken versehenen Lichtbildern in Print und online berichtet hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten und
der erstinstanzlichen Schlussanträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 12.04.2023 Bezug genommen (Bl. 267 ff. d.A.).
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Widerklage abgewiesen und den Beklagten insgesamt die Kosten auferlegt. Es hat dies im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Beklagten anhand der wenigen in der konkreten Berichterstattung der Klägerin mitgeteilten Merkmale nicht erkennbar gewesen seien und es gerade nicht genüge, dass man die im Beitrag angesprochene Berichterstattung der "BILD" etwa habe im Internet nachrecherchieren können. Identifizierungsmerkmale müssten sich grundsätzlich aus einem angegriffenen Artikel selbst ergeben. Soweit vorgetragen werde, dass zumindest Leser der "Bild" vom gleichen Tag die Beklagten hätten wiedererkennen können, wäre dies aufgrund des speziellen Geschehens tatsächlich auch ohne Erwähnung des "BILD-Artikels" der Fall gewesen und genüge ebenfalls nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 267 ff. d.A.).
Dagegen wenden sich die Beklagten mit Ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgen. Auch mit Blick auf die auf S. 7 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 165 ff. des Senatshefts) eingeblendeten Berichterstattungs- und Werbemaßnahmen - auch in sog. sozialen Netzwerken - könne die gerade auf die BILD-Berichterstattung aufsetzende Klägerin sich nicht auf eine fehlende Erkennbarkeit berufen. Die Beklagten seien - auch wegen ihrem erkennbaren Fehlen am Arbeitsplatz nach der Berichterstattung in der "BILD" - jedenfalls für Arbeitskolleginnen/-kollegen mit der Berichterstattung in der "BILD" und dann eben auch mit derjenigen bei der Klägerin in Verbindung zu bringen - zumal rechtlich bereits die begründete Sorge um eine Erkennbarkeit genüge. Zumindest sei auf die Vorberichterstattung in der "BILD" abzustellen und die auch sonst jedenfalls für Bekannte bestehende mühelose Ermittelbarkeit zumindest über hier gegebene Teilinformationen. Auch nach BGH v. 06.12.2022 - VI ZR 237/21, juris Rn. 21 genüge es im Übrigen, wenn sich die Identität für einen Teil der Leser erst im Zusammenspiel mit sonstigen allgemein bekannten Umständen, also gerade nicht allein aus aus der Berichterstattung selbst abgeleiteten Kenntnissen ergibt. Mit KG v. 07.01.2021 - 10 U 1106/20, ZUM-RD 2021, 475 müsse man zumindest darauf abstellen, dass die Veröffentlichung die Suche durch die Offenlegung von
Querverbindungen herausgefordert habe (›Teaser‹) bzw. mit OLG Karlsruhe v. 02.02.2015 - 6 U 130/14, NJW-RR 2015, 670 jedenfalls Detailangaben erfolgt seien, die es dem interessierten Leser ermöglicht hätten, über gängige Internet-Suchmaschinen einen Bezug zu den Beklagten herzustellen. Wer selbst aktiv auf eine identifizierende Dritt-Berichterstattung verweise, könne sich jedenfalls nicht mehr auf eine hinreichende Anonymisierung des Betroffenen berufen.
Schließlich drohe es bei zu enger Auslegung zu bedenklichen Lücken im Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Betroffener zu kommen, weswegen - auch wegen der Vielzahl von Parallelverfahren (Anlagenkonvolut WK 28, Bl. 247 - 589 des Senatshefts) eine klärende Entscheidung des Bundesgerichtshofs geboten sei. Dabei werde u.a. zu klären sein, ob es aus verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar sei, Medien ein Privileg einzuräumen, in rufschädigender Weise über Betroffene zu berichten und sich rechtswidrige Äußerungen eines Erst-Veröffentlichers zu eigen zu machen bzw. diesen Äußerungen weitere Persönlichkeitsrechtsverletzungen hinzuzufügen, ohne dafür einstehen zu müssen. Vorliegend räume zudem der Senat selbst eine Erkennbarkeit zumindest für frühere Rezipienten ...