Entscheidungsstichwort (Thema)
allgem. Haftungsrecht; Schockschaden naher Angehöriger
Leitsatz (amtlich)
1. Die Grundsätze, wonach nahe Angehörige unter bestimmten Umständen eigene, psychisch vermittelte Schäden geltend machen können, sind grundsätzlich auch auf Lebensgefährten eines durch einen ärztlichen Kunstfehler verstorbenen Patienten anwendbar.
2. An die Darlegung eines psychisch vermittelten Schadens sind maßvolle Anforderungen zu stellen.
Normenkette
BGB §§ 249, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 15.07.2010; Aktenzeichen 11 O 98/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des LG Aachen vom 15.7.2010 - 11 O 98/10 - teilweise abgeändert.
Den Antragstellern wird für nachfolgende Anträge unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. S., Kanzlei O. und O. aus L., ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt:
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1) ein angemessenes, vererbtes Schmerzensgeld aus der Behandlung seines Vaters zwischen dem 20. und 22.5.2006 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.8.2006.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin zu 2) ein eigenes Schmerzensgeld aus der Behandlung ihres Lebensgefährten zwischen dem 20. und 22.5.2006 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 5.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.5.2009.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin zu 2) 574,69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 512,26 EUR seit dem 22.7.2008 und aus 62,43 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger zu 1) sämtliche weiteren vergangenen und künftigen materiellen Schäden sowie künftige immaterielle Schäden, die ihm aus der Behandlung seines Vaters entstanden sind bzw. noch entstehen, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Der weitergehende Antrag und die weitergehende sofortige Beschwerde werden zurückgewiesen.
Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse zur Geltendmachung von Prozesskostenhilfe sind hinreichend glaubhaft gemacht. Die beabsichtigte Klage hat auch zumindest teilweise Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Der Antragsteller zu 1) hat einen ererbten Schmerzensgeldanspruch aus ärztlicher Fehlbehandlung seines Vaters vorgetragen und geeignet unter Beweis gestellt. Den - ohnehin maßvollen - Anforderungen an die Darlegung eines Behandlungsfehlers ist, namentlich durch die Vorlage eines Privatgutachtens, bei weitem genüge getan. Dem erhobenen Behandlungsfehlervorwurf wird die Kammer nachzugehen haben. Die Frage fehlender Aktivlegitimation, auf die die Kammer insoweit maßgeblich abgestellt hat, ist nach Vorlage des Erbscheins erledigt. Weitergehende Bedenken gegen die Aktivlegitimation des Antragstellers zu 1) sind nicht ersichtlich. Der Höhe nach kann angesichts der kurzen Dauer der erlittenen Schmerzen und Leiden ein Schmerzensgeld von mehr als 5.000 EUR nicht in Betracht kommen. Insofern wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Ein Schmerzensgeldanspruch der Antragstellerin zu 2) kann nicht mit der Erwägung verneint werden, sie zähle nicht zu dem geschützten Personenkreis. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum sog. Schockschaden beschränken sich auf nahe Angehörige, nicht aber auf Verwandte eines bestimmten Grades. Hierzu zählen ohne weiteres auch Lebensgefährten (vgl. etwa Oetker in MünchKomm, 5. Aufl., § 249 Rz. 147; Palandt/Grüneberg Vorb v § 249 Rz. 40, jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. ferner zu einem ähnlichen Fall BGHZ 163, 209 ff. = VersR 2005, 1238, 1240). Auch hinsichtlich der Darlegung des psychisch vermittelten Schadens aufgrund des Todes eines nahen Angehörigen ist eine übertriebene Strenge unangebracht, vielmehr sind nur maßvolle Anforderungen zu stellen (OLG Koblenz NJW-RR 2005, 677 f.). Die Darlegung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist grundsätzlich ausreichend (OLG Koblenz, a.a.O.). Eine solche hat die Antragstellerin zu 2) durch Vorlage eines ausführlichen Attestes ihres behandelnden Psychiaters vorgetragen und durch Sachverständigengutachten tauglich unter Beweis gestellt. Die seitens der Kammer hierzu angestellten Erwägungen, die offenbar teilweise darauf hinauslaufen, den Sachvortrag der Antragstellerin für unzureichend zu erachten, teilweise auf eine vorweggenommene Beweiswürdigung, überzeugen nicht. Ob die Antragstellerin die Leiche ihres Lebensgefährten tatsächlich gesehen hat oder nicht, oder wann sie wie la...